Hoheit Antonia: Frau mit starkem Willen

Wenn sie ungeschminkt und „inkognito“ mit geflochtenen Zöpfen, grauer Sweatjacke, schwarzer Jeans und Sonnenbrille auf ihrem Fahrrad durch Kromlau radelt, erkennt sie kaum jemand.
Den meisten Einwohnern ist die 20-Jährige, einst Prinzessin und seit einem Jahr Blütenkönigin von Kromlau, nur durch öffentliche Auftritte bekannt. Da präsentiert sich Antonia „Tonie“ Jahnke mit Festfrisur, Krone, Schärpe, wallenden Kleidern. Dafür wird „Ihre Hoheit“ sowohl bewundert als auch belächelt. „Es ist schade, dass ich als Blütenkönigin bei Menschen auf Vorurteile treffe. Sie sehen nicht mich, meine Persönlichkeit und Ziele. Sie meinen, gekürte Hoheiten müssten sich nur hübsch anziehen, lächeln und hier und da auftreten. Doch wir sind keine dummen Blondchen. Blütenkönigin zu sein und Kromlau zu repräsentieren ist eine ernsthafte und harte Aufgabe und ein Ehrenamt, das viel Zeit und Einsatz erfordert“, erzählt „Blaublüterin“ Antonia, die Kulturmanagement an der Hochschule Zittau/Görlitz studiert und in Krauschwitz lebt, statt in einem Schloss.
„Ich kann mit Chaos umgehen."
Als Blütenkönigin keine Kromlauerin zu sein, ist für sie kein Widerspruch. „Es ist keine Voraussetzung. Außerdem bin ich stolz, dass wir in unserer Region den Kromlauer Park haben. Über den habe ich übrigens schon als Prinzessin viel gelernt. Von meiner Vorgängerin, aus Büchern, Gesprächen mit Einwohnern und der Ortschronik, die ich komplett gelesen habe. Ich weiß also auch als Nicht-Kromlauerin, wovon ich rede. Abgesehen davon war und ist der Kromlauer Park für mich magisch – eine Blase voll fesselnder Erlebnisse, Sagen, Geschichte und Geschichten. Daher will ich auch andere Menschen für ihn und die Region begeistern, weshalb ich Blütenkönigin mit Leib und Seele bin.“
Dass dieses repräsentative Amt ihr kaum freie Zeit lässt, stört die junge Frau nicht. „Ich kann mit Chaos umgehen. Das ist mein zweiter Vorname“, scherzt Antonia. „Aber ehrlich. Wenn andere sagen, ,Den Terminplan schaffst Du nicht!‘, werde ich umso ehrgeiziger, um das Gegenteil zu beweisen. Solange alles positiver Stress ist, mag ich ihn und das Chaos.“
Positiver Stress sind für Antonia Jahnke die Verbindung von Studium, Hobbys und Ehrenamt sowie selbst mit dem Auto an fast jedem Wochenende zwischen April und Dezember im In- und Ausland zu Auftritten bei Messen, Volksfesten, Weihnachtsmärkten oder Hoheiten-Treffen zu fahren. Tage von bis zu 18 Stunden absolviert sie dabei ebenso wie ihre Kleider selbst entwerfen und nähen; Termine und Tourneeplan erstellen; Anfragen und E-Mails persönlich beantworten und parallel an Ideen und Projekten arbeiten. „Allerdings ist es schon ein Unterschied, ob man eine von Wirtschaft und Regionen gesponsorte Hoheit im Westen ist, die sich um vieles nicht kümmern muss und einen Helferstab um sich hat, oder ob man eine Hoheit im Osten ist, der ihre Heimat und die Menschen am Herzen liegen und die mit ihrem Amt helfen will, all das bekannt zu machen und zu fördern. Da ich genau letzteres will, muss ich selbst auch viel geben.“
Mit Klischees wird aufgeräumt
Dafür, und um mit Klischees über gekrönte Hoheiten aufzuräumen, postet sie ebenfalls regelmäßig auf Facebook und Instragram: Bilder von Kromlau, dem Park, Auftritten, ihrem Alltag und Projekten. Still sitzen und untätig sein könne sie nicht. „Ich habe deshalb schon jetzt Pläne für das Parkfest 2021, die weit über das traditionelle Hoheiten-Treffen hinaus gehen“, so die Blütenkönigin. Dass es durch Corona in 56 Jahren erstmals kein Park- und Blütenfest in Kromlau gab, keine Treffen, Auftritte und Tourneen, sei schade. Ebenso, dass noch immer das Studium ausfällt oder die Festivalkultur brach liegt. Und weil Tonie Jahnke seit Kinderzeit beim Elferrat Bad Muskau mit tanzt und der Karnevalsverband Lausitz sie 2019 zur „Lady Karneval“ kürte, hofft sie, dass die närrische Zeit am 11.11. starten kann. „Ich bin kein Homeoffice-Mensch, brauche Kontakt zu Menschen und kann es kaum abwarten, dass alles wieder losgeht. Auch, wenn es für mich eine Doppelbelastung bedeutet, die Lausitz und Kromlau zu repräsentieren. Aber ich finde es anstrengender, nur multimedial die Leute bei Laune zu halten.“
Dennoch gehören Mulimedia-Kanäle wie Internet, Facebook oder Instagram samt ihren Möglichkeiten zu Tonies Alltag. Mit und ohne Corona. Ab Juli veröffentlicht sie so auch ihr neuestes Projekt. „Worum es geht, verrate ich nicht. Aber ich habe die letzten Wochen mit viel Kreativität, Einsatz und Unterstützern daran gearbeitet, sogar Videos gedreht, selbst geschnitten.“ Dass bei so viel Präsenz und Werbung die Gefahr einer Übersättigung oder touristischen Überflutung Kromlaus bestehen könnte, glaubt „Ihre Hoheit“ nicht. „Park, Ort und Region werden das Image eines versteckten Märchenlands behalten. Trotzdem kann und sollte man es nutzen, beispielsweise für mehr Filmdrehs.“ Antonia Jahnke hätte sogar eine Drehort-Empfehlung: „Meinen Lieblingsplatz Inselteich. Da blühen nicht nur die meisten bunten Rhododendren und Azaleen. Sie bilden auch einen Tunnel, durch den man in eine Märchenwelt abtaucht, bei der der Höhepunkt zum Schluss kommt.“ Damit meint sie den Rakotzsee samt Bauwerken, der momentan Großbaustelle ist.
Trotzdem rät Antonia zu einem Besuch. „Wer jetzt dort Fotos macht, kann sagen: Ich war bei einem einzigartigen Ereignis dabei! Denn sicher wird erst wieder in 100 Jahren gebaut.“ Auch für solch ungewöhnliche Botschaften nutzt Antonia Jahnke ihre europaweiten Kontakte, ihre Stimme, ihre Möglichkeiten. „Als Blütenkönigin will ich Menschen inspirieren, Besucher anlocken, mehr über Kromlau verbreiten, als in Wikipedia steht.“