Von Dietmar Schubert
Wir verlassen Ortrand nach Norden Richtung Autobahn. Die Pulsnitz-Brücke führt in den Stadtteil Burkersdorf. Der hat bis jetzt seinen dörflichen Charakter bewahrt. Auf dem Gelände des Gasthauses Ritterhof befand sich sehr wahrscheinlich ein befestigter Herrensitz.
Wir müssen den Burkersdorfer Kreisel und den Autobahnzubringer benutzen. Das Ziel ist Lindenau. Von 1825 bis 1945 war Lindenau das westlichste Dorf Schlesiens, gehört aber zur historischen Oberlausitz. Bis jetzt hat es niemand geschafft, die prächtigen ortsnamengebenden Linden beiderseits der Dorfstraße, die vor 30 Jahren entfernt wurden, neu zu pflanzen. Nur kurz vor der Kirche und dem Torhaus zum Schloss wird noch der Eindruck der Baumbepflanzung vermittelt. Das Dorf ist die Wahlheimat des bedeutenden Malers Walter Besing (1869-1950). Gegenüber seinem Wohn- und Atelierhaus erinnert ein Stein an ihn. Seine Werke sind unter anderem in den Lausitzer Kunstsammlungen in Senftenberg zu sehen.
Auffällig das Schloss, das an Stelle einer Wasserburg errichtet wurde. Die Dorfseite Renaissance, die Parkseite Barock, Anfang des 20. Jahrhunderts im Neobarock überbaut.
In der Schloss- beziehungsweise Dorfkirche befindet sich ein Grabmal des Caspar von Minkwitz. Es wird Johann Joachim Kaendler zugeschrieben. Dieser Bildhauer war seit 1731 Modellmeister der Porzellanmanufaktur in Meißen. Typisch für Kaendler ist die Mitdarstellung des Zeitgottes Chronos, den man beim aufmerksamen Betrachten dieses Grabmals entdecken kann. Berühmt sind sein Entwurf und die begonnene Ausführung eines Denkmals Augusts des Starken in Porzellan. In Lindenau hat der spätere Generalfeldmarschall August von Mackensen seine Kindheit verbracht. Sein Vater hatte das Rittergut vom Fürsten zu Lynar gepachtet. Aus dessen Familie stammt der auch für die Wettiner tätige Schloss- und Festungsbaumeister Graf Rochus zu Lynar. Er errichtete unter anderem das Dresdner Schloss, die Festung Senftenberg, das Schloss Augustusburg sowie die Festungen Peitz und Spandau.
Im Westen wird der Schlosspark von der Pulsnitz begrenzt. Auf dem gegenüberliegenden Fahrweg oder der Landstraße erreicht man Großkmehlen. Das imposante Renaissance-Schloss überragt alte, hohe Bäume. Schloss, Kirche und Pfarrhaus bilden eine selten erhalten gebliebene Gebäudegruppe. Auf historischem Kirchgrund steht auch die Schule, wie es seit der Reformation in Sachsen üblich wurde.
Das Schloss, wie es heute zu sehen ist, geht auf die Herren von Lüttichau zurück. Im Renaissance-Baukörper sind spätgotische Architekturteile zu entdecken. Sie weisen auf Arnhold von Westfalen hin. Er hat den wettinischen Brüdern Albrecht und Ernst das erste Wohnschloss in der Baugeschichte gebaut, die Albrechtsburg in Meißen. Die von Lüttichau hatten die Möglichkeit, diesen vielbeschäftigten Baumeister für sich zu verpflichten. Sie stellten für mehrere Wettiner den Kanzler und hohe Beamte.
Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts saß Karl Eduard Zachrariae von Lingental auf Großkmehlen. Er war ein bedeutender Rechtsgelehrter. Mit seinem Kapital finanzierte er den Bau wichtiger Eisenbahnstrecken (Großenhain – Cottbus, Kohlfurt – Görlitz – Magdeburg). Auf seinen landwirtschaftlichen Nutzflächen ermöglichte er agrarchemische Düngungsversuche Justus von Liebigs. Die verschiedenen Patronatsherren und auch -frauen statteten die Kirche reich aus. So gelangten zwei damals schon berühmte Antwerpener Schnitzaltäre hierher. George Bähr baute die Kirche im Barockstil um. Dem trutzigen Turm mit seinen gotischen Fenstern setzte er eine etwas schwerfällige barocke Haube auf. In dieser Umbauzeit erhält diese Kirche eine Orgel aus der Werkstatt des berühmten Gottfried Silbermann. Das Dorf selbst, ein deutsches Kolonistendorf mit slawischem Namen (Kmehlen bedeutet Hopfendorf) steigt vom Schloss aus sanft nach Süden an. Es liegt auf der Nord-Seite eines eiszeitlichen Moränenzuges, den „Kmehlener Bergen“. In diesen Bergen, auf Klein-Kmehlener Flur, befindet sich der höchste Berg Brandenburgs. Es ist der Kutschenberg mit einer Höhe von 201 Meter.