Von Hartmut Landgraf
Es ist nicht gerade der Ort, wo man sich zum Plausch übers Bergsteigen verabredet: Ein elegantes Büro im Obergeschoss eines Deciner Restaurants. Rote Ledergarnituren, in der Mitte ein großer Glastisch und in der Ecke – ein echtes Rennmotorrad.
Jindrich Hudecek hat sein Handy auf die Couch fallen lassen – er wirkt entspannt, sitzt in seinem schwarzen T-Shirt fast ein bisschen zu lässig da für einen, dem 40 Sportläden gehören. Der grau melierte 46-Jährige ist Gründer und Inhaber der größten tschechischen Outdoor-Kette „Hudy Sport“ mit Sitz in Bynovec bei Decin. Und er ist noch mehr – Hotel- und Restaurantbesitzer, Motorradhändler, Schiffseigentümer, ein Mann mit zwei Ferraris in der Garage, mit Spaß am Leben, mehreren sportlichen Hobbys, vier Kindern – und mit einer Leidenschaft fürs Extreme.
Der erste Elfer im Elbsandstein
Deshalb hat der Tscheche, den viele einfach „Hudy“ oder „Jindra“ nennen, auch nie mit dem Bergsteigen aufgehört. Doch als er im Sommer 1990 in seinem Heimatort Hrensko seinen ersten Laden eröffnete – und den Grundstein für sein Imperium legte – da war er im Klettern schon ganz oben angekommen.
In den 80er-Jahren gehörte Hudecek zur Leistungsspitze im böhmischen und sächsischen Elbsandstein, er war Mitglied der tschechoslowakischen Bergsport-Nationalmannschaft, zeitweise im Herzen fast mehr Alpin- als Felskletterer. Am Mount Everest hat er sich damals mit einem Expeditionsteam zwei Monate an einer neuen Route versucht – eine senkrechte Wand in 8300 Meter Höhe. Der Versuch misslang. „Unmöglich ohne Sauerstoff“, sagt Hudecek heute.
Im heimischen Sandstein hingegen war dem Tschechen fast nichts unmöglich. Hier setzte er auch auf sächsischer Seite neue Maßstäbe. Extrem schwere Erstbegehungen im zehnten Schwierigkeitsgrad gehen auf sein Konto – etwa die Xb-Route „Kamikaze“ am Rauensteinturm oder am Rauschenstein „Ende einer Legende“ (Xc). 1989 gelang Hudy als erstem im Elbsandstein eine Erstbegehung der Schwierigkeit Elf – „Perestroika“ am Schrammsteinkegel (damals XIIa). Am meisten aber bringt ihn die Szene mit einer neuen Kletterphilosophie in Verbindung, bei der das Sportliche im Vordergrund steht, und die ab den späten 80er-Jahren auch in Sachsen Einzug hielt. Hudy war einer der Pioniere des sogenannten Rotpunktkletterns im Elbsandstein, bei dem entgegen den älteren Traditionen eine Route in einem Zug durchgeklettert wird – ohne zwischendurch an Sicherungsringen auszuruhen.
Auch heute noch hängt Hudecek zwei- bis dreimal pro Woche in irgendeiner steilen Wand. Das Schönste dabei sei für ihn, allein seinem eigenen Antrieb folgen zu können. Mancher macht ihm daraus den Vorwurf, sich auch über Regeln und Traditionen hinwegzusetzen. Von einem Magnesiaverbot, wie es in Sachsen besteht, hält der Tscheche zum Beispiel wenig. Das schweißabsorbierende Pulver ist für ihn ein Muss in extrem schweren Routen. Am liebsten aber mischt er sich in solche Debatten gar nicht erst ein. Er glaubt, dass alle am Fels ihren Platz finden können. Vor allem, sagt Hudecek, müsse Klettern doch jedem Spaß machen. „Spaß macht es aber nur ohne Druck, ohne Diskussionen“.
Bruch mit der Tradition
Schon als Kind ließ es sich Hudecek nicht nehmen, seine Kraft und Nervenstärke auszuprobieren. In seinem Heimatort kraxelte er unverzagt in den Felsen herum. „Was hätte ich dort sonst machen sollen?“, fragt er. Später fand er Anschluss an die Meister der Zunft – an die Gebrüder Weingartl und Karel Belina. Anfang der 80er-Jahre bewegte sich Hudy viel auf den Spuren des Hohnsteiner Extremkletterers Bernd Arnold.
Doch von Anfang an ging er auch seine eigenen Wege. 30 bis 40 Erstbegehungen zeugen allein im sächsischen Elbsandstein davon. Einer, der in all diesen Jahren viel mit Hudecek bergsteigen ging, ist der Dresdner Jörn Beilke. Der erinnert sich noch, wie der Tscheche in den späten 80er-Jahren die erste künstliche Übungskletterroute im Elbsandstein eingerichtet hat. An eine alte Steinbruchwand bei Hrensko schraubte Hudy damals künstliche Griffe aus Epoxidharz und veranstaltete dort schon bald einen ersten Kletterwettkampf. In Sachsen sei das damals verpönt gewesen, sagt Beilke. Für Topleute wie Hudy aber war es ein Krafttraining. „Wir wollten raus aus der Sackgasse, wollten die Routen durchklettern – und uns nicht mehr von Ring zu Ring hochsitzen, wie es in Sachsen üblich war.“