Von Wolfgang Schmidt
Fast 200-mal im Jahr fahren Kathrin und Heiko Beck auf Wochenmärkte sowie zu Heimat- und Volksfesten, um ihre Schuhe sachsenweit zu verkaufen. Das bedeutet, 200-mal Hausschuhe und Holzpantinen, Pantoffeln und Pantoletten in das Fahrzeug zu laden, sie am Verkaufsort auszuladen, zu präsentieren und schließlich wieder einzuladen. „Das ist anstrengend, aber auch schön zu erleben, wenn den Kunden unsere Produkte gefallen und wir sie verkaufen können“, sagt Kathrin Beck, die Inhaberin des Neukircher Kleinunternehmens „Schuhwaren E. Hultsch“. „Vom Erlös können wir leben. Wir sind zufrieden“, sagt sie. Kathrin Beck hatte 1996 das Unternehmen von ihrem Vater Erwin Hultsch übernommen, den viele in Neukirch noch immer anerkennend „Pantoffel-Hultsch“ nennen. Bis in das Alter von 85 Jahren wirkte der Senior noch hin und wieder in der Werkstatt mit. Um weiter am Markt zu bleiben, haben Becks nach dessen Tod 2011 neue Ideen eingebracht, aber auch Traditionelles erhalten. Bis auf die Auslagerung einer nicht mehr benötigten Nähmaschine und Bandsäge blieb die Werkstatt mit der schon historisch-nostalgischen Einrichtung bestehen.
Nur im Direktverkauf werden die Schuhe angeboten. Dabei umfasst die Palette der Hausschuhe solche ab der Schuhgröße 24 für Kinder mit lustigen Motiven auf der Oberseite bis hin zur Größe 51 für Erwachsene. Die Schuhe werden in reiner Handarbeit hergestellt, ergänzt durch Zukäufe von befreundeten Unternehmen. In der Ausführung gibt es bis zu 40 verschiedene Modelle aus Leder oder Textilmaterialien mit unterschiedlichen Sohlen.
Der Absatz ist von der jeweiligen Jahreszeit abhängig. Im Sommer werden kaum Filzpantoffeln oder Filzschuhe gekauft. Doch immer gefragt sind die Riesenpantoffeln mit der Schuhgröße 90, was einer Fußlänge von etwa 60 Zentimetern entspräche.
Und da ist noch die Geschichte der Neukircher Holzschuhe. Als Ludwig Schotte, der Urgroßvater von Kathrin Beck, 1929 die Werkstatt gründete, bestand ein großer Bedarf an robustem Schuhwerk für den Alltag. Auf die Herstellung von Holzschuhen und Holzpantoffeln spezialisierte man sich bis in die 50er-Jahre. Sie sind fest, und beim Besteigen einer Leiter wird die Sohle nicht durchgedrückt. Die Vorfahren holten das Holz noch selbst aus dem Busch, lagerten es drei Jahre zum Trocknen. Nach dem Zusägen der Grundform wurde das Fußbett ausgefräst. Während Erwin Hultsch in aufwendiger Handarbeit das Oberleder noch mit Stahldraht und Metallkrampen befestigte, wird heute getackert.
Auch heute besteht noch die Nachfrage nach diesen Holzpantoffeln. Geordert werden sie deutschlandweit von Trachten- und Karnevalsvereinen sowie Theatergruppen. Auch Handwerker wie Bäcker, Töpfer oder Steinmetzen nutzen sie für Schauvorführungen auf historischen Märkten.
Neukirch, Alte Straße 26. Verkauf montags bis donnerstags von 16.30 bis gegen 18.30 Uhr sowie nach Vereinbarung, 035951 30744
www.hultsch-schuhe.de