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Hupen und Klingeln, Rasseln und Federquietschen

Die Weißeritzzeitung brachte im August 1929 diesen Leserbrief. Man mag es kaum glauben, aber er ist noch immer hochaktuell.

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Hat man sich für den Sonntagnachmittag einen Spaziergang nach einem schönen Ausflugsort vorgenommen, so ist doch meist nicht nur das Ziel erstrebenswert, sondern man freut sich auch auf den Weg. Man möchte etwas allein sein mit der Natur, möchte versunken in Anschauung dahinwandeln. Aber das ist bei den schönsten Ausflügen unserer Umgebung heute nur noch selten möglich. Das Auto und das Motorrad beherrschen die Straße, die für frühere Verhältnisse gebaut wurde, noch keinen Fußweg hat und für den Schnellverkehr mit Autos zu schmal ist.

Der Spaziergänger muss, wenn er am Sonntagnachmittag zum Beispiel nach der Talsperrenmauer Malter marschieren will, auch am Wegrande stets scharf aufpassen, dass er sich und andere nicht gefährdet. Da kommen und gehen in unaufhörlicher Reihenfolge Autos, Motorräder und Radfahrer. Der Staub wirbelt auf, die Luft riecht nach Auspuffgasen, Hupen und Klingeln und Rasseln und Federquietschen stört die sonst so stille Natur. Es wäre schön, wenn es noch einen Fußweg gäbe, der ebenfalls den Blick auf die Talsperre freilässt. Allerdings darf nicht unerwähnt bleiben, dass der Autoverkehr nicht alle Tage so stark ist, sondern nur in der Ferienzeit und besonders am Sonntagnachmittag.

Darum ist es für den Spaziergänger empfehlenswert, nicht gerade an Sonntagen nach der Talsperre zu pilgern oder doch so zeitig, dass er noch in Ruhe wandern kann, oder er muss eben auch mit dem Auto fahren, was ja vielleicht, wenn die Entwicklung so weitergeht, in einigen Jahren für niemanden etwas Besonderes sein wird. Kommt man dann an den „Seeblick“ heran, so sieht man hier die vielen Wagen aufgestellt, ebenso wie am Gasthof Malter. Und die Besitzer haben sich in die Wirtschaften oder in die Strandbäder begeben. Auf der Talsperre herrscht reges Leben, überall sind die Ruder- und Paddelboote zu sehen, und einige Segelboote streichen majestätisch über die Sperre. Und rundherum lagern sich die Spaziergänger. Alles in allem ein friedliches Bild, das schon wert ist, auch trotz des unangenehmen Weges den Spaziergang hierher zu wagen.

Anmerkung der Redaktion: Der unbekannte Verfasser dieses Leserbriefes, den das Dippser Museum zur Verfügung stellte, hatte zwar genügend Fantasie, um sich vorstellen zu können, dass Autos bald nichts Besonderes mehr sein werden. Dass es aber auch ein Jahrhundert nach dem Talsperrenbau den angemahnten Fußweg immer noch nicht gibt, hätte er sicher nicht geglaubt.