Im Test: Die Bäcker und Corona

Bautzen. Christine Probst* schwankt zwischen ihren Gefühlen: „Einerseits“, sagt sie, „verstehe ich, dass die Leute nicht den ganzen Tag unter Mundschutz arbeiten können. Andererseits hat es doch mit Respekt zu tun, alles Nötige zum Schutz der Kunden zu unternehmen.“ Sie wolle, sagt sie, niemanden vorführen, aber ein Plädoyer halten, für mehr Achtsamkeit.
Was Christine Probst aufwühlt, sind Erfahrungen, die sie in den vergangenen Wochen beim Einkauf bei verschiedenen Bäckern gemacht hat, die an größere Supermärkte angebunden sind. Dort kauft sie regelmäßig, fährt dabei stets verschiedene Märkte im Kreisgebiet an. Lebensmittel kauft sie auch für ihre Eltern. „Beide sind fast 80, gehören zur Risikogruppe“, sagt sie und zeigt damit auf den Grund für ihre Sorgen.
Mehrfach hat sie die Erfahrung gemacht, dass das Personal an den Back-Ständen nicht nur auf den Mund-Nasen-Schutz verzichtet, sondern auch auf das Tragen von Handschuhen: „Da wird mit derselben Hand Ware eingepackt, Geld entgegengenommen und der Putzlappen angefasst, ohne sich die Hände zu waschen“, schildert sie ihre Beobachtungen. Sie weise dann auf die mangelnde Hygiene hin – stets freundlich, wie sie betont. Dafür habe sie selten Einsicht aber oft patzige Antworten erhalten. Einmal, erzählt sie, habe man ihr die Herausgabe ihrer Ware verweigert.
„Das hat mich unglaublich aufgeregt“, sagt sie. Natürlich habe sie auch positive Erfahrungen gemacht. An eine Verkäuferin erinnert sie sich besonders: „Die hat das wirklich ordentlich gemacht, die Ware nur mit Tütchen angefasst. So ein junges Mädchen, da war ich erstaunt.“ Sie vermutet, dass es in den Bäckereien an verbindlichen Vorgaben zur Vermeidung von Ansteckungen mit dem Coronavirus mangelt; dass es auf das jeweilige Verkaufspersonal ankommt, wie weitreichend die Hygienemaßnahmen umgesetzt werden.
Sieben Filialen getestet
Um die Sorgfalt des Verkaufspersonals in den Bäckereifilialen in Supermärkten zu testen, hat Sächsische.de bei sieben Bäckern zwischen Königswartha und Sohland eingekauft – darunter auch bei jenen, in denen Christine Probst ihre Erfahrungen gesammelt hat.
Schnell fällt auf: Während in allen getesteten Filialen zwar Hygieneregeln eingehalten werden, ist das jeweilige Verkaufs-Prozedere recht unterschiedlich. Zur Einordnung hilft ein Blick auf die Empfehlungen, die der Landesinnungsverband für das Bäckerhandwerk für seine Mitglieder erarbeitet hat. Darin wird dem Personal geraten, sich durch ausreichend Abstand, das Tragen einer Mund-Nase-Maske oder den Einsatz einer Plexiglas-Barriere vor Ansteckung zu schützen. Das Tragen von Einmalhandschuhen, erklärt Manuela Lohse, Geschäftsführerin des sächsischen Verbandes, sei eher nachteilig, weil diese oft zu wahren Virenschleudern würden. Vielmehr empfiehlt sie, Geld- und Warenverkehr zu trennen und im besten Fall spezielle Hygiene-Handschuhe zu tragen.
In fünf von sieben der getesteten Filialen kann bei der Einhaltung dieser Regeln nur wenig beanstandet werden. Positiv fiel eine Filiale eines großen regionalen Back-Unternehmens im Oberland auf: Das Verkaufspersonal nutzte zum Entnehmen der Waren mit der rechten Hand einen Hygiene-Handschuh mit verstärktem Rand. Der ermöglichte blitzschnelles Hinein- und Hinausschlüpfen. Kassiert wurde hinter Plexiglas, Geld nur mit der linken Hand berührt. Desinfektionsmittel für die Kunden stand bereit. Nur zwei Filialen boten diesen Service an.
Mangelnder Schutz bei zwei Filialen?
In einer Filiale am Bautzener Stadtrand trug die Verkäuferin zwar Mundschutz, bediente aber mit bloßen Händen. Auf die Frage, ob es möglich sei, die Waren mit Handschuhen abzupacken, gab sie den Hinweis, dass ihr Chef ihr die nicht zur Verfügung stelle – und schubste das gewünschte Stück Kuchen mit einem Finger von der Gabel auf die Pappe.
In einer Bäckereifiliale im nördlichen Landkreis trug das Verkaufspersonal Mundschutz, stapelte aber Brot, Brötchen und Kuchen einer frisch eingetroffenen Lieferung ohne Handschutz in die Auslage. Währenddessen wurde Bargeld getauscht. Immerhin: Auf die Frage, ob es möglich sei, die Waren ohne direkten Hautkontakt zu übergeben, reagierte die Verkäuferin verdutzt, aber einsichtig; packte Pfannkuchen mit der Zange und Brötchen mit einem Blatt Ölpapier an.
Corona als Chance
Manuela Lohse vom Landesinnungsverband kennt die Bedenken, die Kunden in solchen Situationen ergreifen, mahnt aber zur Sachlichkeit des Diskurses: "Es gibt keine Studien darüber, das Corona massenhaft durch Geldscheine oder Waren übertragen wird. Mit Angst sollte man diese Fragen nicht betrachten."
Wenngleich auch das Bundesamt für Risikoeinschätzung nach derzeitigem Kenntnisstand davon ausgeht, dass eine Infektion mit dem Corona-Virus über trockene Flächen kaum, über Schmierinfektionen nur über einen kurzen Zeitraum hinweg möglich ist, ist Christiane Probst aufgrund ihrer Erfahrungen vorsichtig geworden. Brötchen, sagt sie, backten ihre Eltern grundsätzlich auf, um potentielle Viren zu zerstören. Den Rand vom Brot würden sie abschneiden.
Die Lösung ist das für sie aber nicht. "Ich würde mir wünschen, dass aus der Corona-Erfahrung eine Chance entsteht und mehr auf Hygiene geachtet wird. Es sind ja nicht nur diese Viren, mit denen man sich leicht anstecken kann. Denken Sie nur mal an den Noro-Virus oder ganz banal: an die Grippe."
*Name von der Redaktion geändert