„Ich finde keinen Nachfolger“

Bautzen. Ganz so eilig hatte es Dr. med. Silvia Mirtschink eigentlich gar nicht. Die Blumen, die jetzt auf ihrem Schreibtisch stehen und von Patienten und Patientinnen vorbeigebracht wurden, die hätten da noch nicht stehen müssen. Denn die Bautzener Hautärztin wollte eigentlich erst im nächsten Jahr in den Ruhestand gehen – doch dann hatten zwei ihrer Krankenschwestern einen neuen Job gefunden.
„Wir sind im Guten auseinandergegangen“, sagt Silvia Mirtschink, aber als sie davon erfuhr, entschied sie: Die Bautzener Hautarzt-Praxis schließt nun schon Ende März. Der Weggang der Kolleginnen – er hat der 64-Jährigen die Entscheidung abgenommen. „Für ein Jahr hätte ich kein neues Personal gefunden“, sagt sie. Und irgendwie habe sich das Ganze dann auch ziemlich befreiend angefühlt.
Jetzt wird die Praxis geräumt
Dass ihre Angestellten gehen wollten, kann sie verstehen: „Ich habe ja nun einmal keinen Nachfolger gefunden, und es war völlig unklar, wie es weitergeht, wenn ich ihm Ruhestand bin.“ Und dabei hat sich Silvia Mirtschink alle Mühe gegeben. Schon frühzeitig hatte sie sich bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) gemeldet, hatte Kliniken angeschrieben, ob sie jemanden kennen – erfolglos. Nichts half.
In den nächsten Wochen wird Silvia Mirtschink nun ihre Praxis räumen. Ihre Patientinnen und Patienten müssen sich etwas Neues suchen. Das Problem: Die Hautärzte in der Region sind ausgelastet, Mirtschink weiß das. Viele von denen, die sie behandelt hat – ja, zum Teil von klein auf begleitet –, kommen momentan zu ihr, um sich zu verabschieden. Einige kommen mit warmen Worten, andere sind ein bisschen mürrisch, weil sie geht. Und dann gibt es auch einige mit Anliegen wie diesen: „Es kommen Patienten zu mir und bitten mich, ob ich nicht irgendwo anrufen kann, um sie zu vermitteln.“ Von einigen Dermatologen und Dermatologinnen in Bautzen und aus der Region weiß Silvia Mirtschink, dass sie keine neuen Patienten und Patientinnen mehr annehmen können – oder nur noch in ganz besonders dringenden Fällen.
Kein Termin zu bekommen
Auch einige Bautzener berichten von der schwierigen Lage. „Ich möchte mal nachhorchen, ob hier jemand weiß, wo wir jetzt hinkönnen“, sagt eine Frau in der Warteschlange vor der Anmeldung in der Praxis. Und eine SZ-Leserin berichtet, dass sie versucht habe, in einer anderen Bautzener Hautarzt-Praxis einen Termin zu bekommen. „Nach Auskunft der Schwester können sie momentan keine neuen Patienten aufnehmen“, erzählt sie. Sie könne es in einem dreiviertel Jahr noch einmal versuchen, erfuhr sie. Ob es dann klappe, sei aber ungewiss.
„Im Schnitt sollen wir 1.800 Fälle pro Quartal haben“, erzählt Silvia Mirtschink aus ihrem Praxis-Alltag. „Wir haben aber alle weit über 2.000“, sagt sie, und schiebt hinterher: „Wir arbeiten alle über das hinaus, was wir müssten.“ Das spiegeln auch die Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KV) wieder: Aufs Jahr verteilt, führen die Hautärzte im Planungsbereich Bautzen mit knapp 8.000 Fällen nach dem Leipziger Land die zweitmeisten Behandlungen durch.
Niedriger Versorgungsgrad
Und wenn Silvia Mirtschink fort ist, dürfte sich das noch einmal verschärfen. Nur noch zwei Hautärzte gibt es dann im Bautzener Stadtgebiet, im gesamten Planungsbereich Bautzen sind es dann noch drei. Schon jetzt, da es noch vier Praxen in dem Planungsbereich sind, weist die KV für Bautzen mit 109 Prozent nur einen verhältnismäßig niedrigen Versorgungsgrad auf – schon jetzt dürften hier, im Gegensatz zu vielen anderen Gebieten, sogar neue Praxen eröffnet werden. „Die KV Sachsen schätzt die Situation als problematisch ein“, erklärt auch KV-Sprecherin Katharina Bachmann-Bux.
Um einen Nachfolger für die Praxis von Silvia Mirtschink zu finden, habe die KV das Thema schon mehrfach bei Arztberatungen angesprochen und im Ärzteblatt eine Ausschreibung veröffentlicht. Weil sich die Lage mit dem Weggang von Silvia Mirtschink weiter verschärfen wird und der Versorgungsgrad künftig unter 100 Prozent liegen könnte, soll es auch Fördermaßnahmen für potenzielle Bewerber geben.
Abschied fällt schwer
Auch Silvia Mirtschink lag einiges daran, jemanden als Nachfolger zu finden. Nicht nur, dass sie ihre Praxis nun räumen muss – auch kann sie ihren Praxissitz nicht, wie in großen Städten zum Teil üblich, verkaufen. Dort ist es mitunter so, dass Nachfolger Geld dafür geben, dass sie einen Patientenstamm übernehmen können. „Aber Angebot und Nachfrage bestimmen eben den Preis“, sagt Mirtschink schulterzuckend – sie scheint sich damit abgefunden zu haben.
„Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, sagt sie. Von einigen, die sie lange begleitet hat, bekam sie liebe Worte – der Abschied fällt schwer. Lesen, die Natur genießen – Dinge, für die im hektischen Arztalltag keine Zeit blieb, darauf freut sie sich aber. Zum 1. April dann wird sie wohl ein letztes Mal die Tür zuschließen in der Praxis in dem Gebäude, das seit 1986 ihr Alltag war.
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