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„Ich möchte näher an den Leser ran“

Andreas Gerth hat den Oberlausitzer Verlag übernommen. Gleich zum Start hegt er Umzugsgedanken.

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Von Mario Heinke

Andreas Gerth hat den Oberlausitzer Verlag in Spitzkunnersdorf übernommen. Sein Vorgänger und Verlagsgründer Frank Nürnberger, der den Verlag 25 Jahre geführt hat, wird in Zukunft noch als Autor arbeiten. Die SZ sprach mit dem promovierten Geologen über die Zukunft des regionalen Verlages.

Herr Gerth, wie kommt ein Geologe zu einem Verlag?

Bücher haben mich schon immer fasziniert. Bisher sind neun Bücher im Oberlausitzer Verlag von mir erschienen. Durch die Zusammenarbeit mit Frank Nürnberger erfuhr ich, dass er einen Nachfolger für seinen Verlag sucht. Da habe ich die Gelegenheit beim Schopf gepackt. Ich bin davon überzeugt, dass es in der Region noch viele Themen gibt, die erzählt werden können. Die Oberlausitz ist nicht nur landschaftlich besonders interessant, sondern auch kulturgeschichtlich höchst abwechslungsreich.

Sie sind also ein „Zugereister“? Woher stammen Sie?

Ja, ich bin in Bergisch Gladbach geboren und habe in Köln und Freiberg Geologie studiert. Während des Studiums in Freiberg habe ich dann Land und Leute kennengelernt. Jetzt wohne ich in Bautzen und arbeite in Spitzkunnersdorf.

Sie haben im Februar übernommen, was wird sich beim Oberlausitzer Verlag ändern?

Ich möchte das Verlagsprogramm ausbauen, neue Reihen auflegen und feste Linien in die Publikationen bringen. Auch das Design soll frischer werden. Unser Spartenprogramm mit Bildbänden, Mundartbüchern, Fach- und Sachliteratur sowie unsere Wanderbücher sollen eine klare Struktur bekommen. Bisher sind die Bücher in loser Einzelform erschienen.

Welche neuen Reihen planen Sie?

Noch in diesem Jahr erscheint ein neues Buch der Reihe „Mystische Städte“, diesmal ist Görlitz dran. Ein Buch zu Oberlausitzer Mühlen sowie ein Bildband zu Löbau und Umgebung ist in Vorbereitung und wir beginnen mit der Reihe „Kulinarische Oberlausitz“.

Was sind im Moment die Renner?

„Sühne- und Mordsteine in der Oberlausitz“ von Rainer Mann und Frank Nürnberger, „Mystisches Bautzen“ von mir und „Stolz darauf ein Oberlausitzer zu sein“ von Hans Klecker.

Konzentrieren Sie sich ausschließlich auf Oberlausitzer Themen?

Nein, das haben wir auch in der Vergangenheit nicht getan. Es gibt einzelne Bücher, die von hiesigen Autoren geschrieben worden sind, deren Inhalt mit der Region aber nichts zu tun hat. Das überregionale Programm möchte ich dennoch erweitern. Ausschließlich mit regionalen Themen zu arbeiten, das funktioniert heutzutage nicht mehr. Wir müssen uns immer wieder neue Leserkreise erschließen.

Haben junge Autoren eine Chance, bei Ihnen verlegt zu werden?

Ja klar, unser Angebot soll noch frischer werden. Wir suchen junge Autoren, die Lust am Schreiben haben. Wenn das Manuskript gut ist, wenn eine besondere Geschichte erzählt wird und wenn ich Leidenschaft aus dem Text herauslese, dann sind die Chancen auf Veröffentlichung gut. Im Gegensatz zu diversen Onlineverlagen trage ich das unternehmerische Risiko allein. Der Autor braucht in der Regel also kein Geld mitzubringen, er kann sogar Geld verdienen.

Kaufen junge Menschen ihre Bücher?

Ja, ich beobachte bei jungen Leuten ein verstärktes Heimatgefühl. Sie interessieren sich wieder mehr für ihren Lebensraum und die Geschichte ihrer Heimat. Auch Wanderbücher mit Kartenmaterial werden viel von jungen Lesern bestellt. Wir sehen das an den Bestellungen, die auch oft von ehemaligen Oberlausitzern kommen, die jetzt im ganzen Bundesgebiet oder in der Welt verstreut leben.

Heute erzählen viele Menschen ihre Lebensgeschichte in Buchform. Verlegen Sie auch Biografien?

Ja, aber hier gilt auch das Gleiche, was ich bereits sagte: Es muss ein interessantes Thema und Leidenschaft erkennbar sein. Oft werden Lebensgeschichten viel zu individuell und auch zu lang erzählt. Der Text muss für einen breiten Leserkreis von Interesse sein, schließlich wollen wir das Buch verkaufen.

Es gibt viele ehrenamtliche Heimatforscher in der Region. Sind Ortschroniken ein Thema für Sie?

Durchaus, Regionalgeschichte läuft gut, insbesondere wenn historisches Bildmaterial zur Verfügung steht.

Das Verlagswesen hat schwere Jahre hinter sich. Wie kann ein kleiner Verlag in Zukunft mithalten?

Die Zeiten der ganz großen Auflagen sind vorbei. Zehn bis 15 Neuerscheinungen im Jahr in mittelstarken Auflagen müssen wir herausbringen, um wirtschaften zu können. Unsere Chance sind die regionalen Themen, die andere nicht haben. Wenn man diese in einer ansprechenden Optik herausbringt und das Preis-Leistungsverhältnis stimmt, dann funktioniert das. Es gibt erfreulicherweise noch Menschen, die ein gedrucktes, gebundenes Buch gern in der Hand halten und zu schätzen wissen. Das sehen wir daran, dass sich auch Bildbände gut verkaufen.

Haben sie E-Books im Angebot?

Nein, bisher noch nicht. Das ist besonders schwierig, weil unsere Publikationen oft sehr viele Bilder enthalten. Aber früher oder später werden wir nicht darum herumkommen.

Organisieren Sie eigene Lesungen?

Das habe ich vor. Ich möchte näher ran an den Leser. Wir werden zukünftig sowohl eigene Veranstaltungen organisieren als auch Partner dafür suchen.

Sie wollen näher an den Leser ran. Da ist Spitzkunnersdorf nicht gerade der Nabel der Welt, oder?

Ja, ich bin derzeit auf der Suche nach geeigneten Büro- und Lagerräumen in zentraler Lage. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass der Verlag nach Löbau oder Zittau umzieht.