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„Ich“ oder nich?

Er ist in Schlips und Sakko gekommen. So wie es sich für einen Ich-AG-Kandidaten gehört: Roland Scholze aus Zittau. Der junge Mann mit dem gepflegten Äußeren hält seine Brille in den Händen und spielt daran.

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Von Matthias Nicko

Er ist in Schlips und Sakko gekommen. So wie es sich für einen Ich-AG-Kandidaten gehört: Roland Scholze aus Zittau. Der junge Mann mit dem gepflegten Äußeren hält seine Brille in den Händen und spielt daran. Seine Unsicherheit gegenüber der Zukunft kann er eben nicht ganz verbergen.

Bis zum 17. Januar war der Lausitzer von Niedercunnersdorf aus als Verkäufer für die bayrische Firma Baywa tätig gewesen. Scholze pries im Außendienst Streufahrzeuge ebenso an wie Schneefräsen. Einen Tag später meldete er sich auf dem Bautzener Arbeitsamt arbeitssuchend und informierte sich über das Für und Wider der Selbstständigkeit. „Denn Unternehmer wollte ich schon immer werden.“

Allerdings nicht gleich eine Ich-AG gründen! Von jenem Sprach-Ungetüm hatte Roland bis dato nur in Zusammenhang mit dem Unwort des Jahres 2002 gehört. Doch nun riet ihm die Frau von der Behörde tatsächlich, selbst eine solche Ein-Personen-Gesellschaft auf die Beine zu stellen. Der gelernte Kaufmann für Groß- und Außenhandel hat sich noch immer nicht entschieden, denn ihm schweben auch andere Förderungs-Modelle für Existenzgründer vor.

Freundin interessiert sich

auch für eigene Existenz

Bereits Anfang Dezember hat der 23-Jährige ein Gewerbe als unabhängiger Vermögensberater angemeldet. Und möchte seinen Kunden künftig Bausparverträge, „Bank-Investments“ oder die klassische private Rentenvorsorge ans Herz legen. Dafür wird der Handelsreisende lausitzweit Klinken putzen – bei Bürgern, denen Scholzes Leistungen von Bekannten und Verwandten empfohlen wurden.

Roland Scholze kann sich sogar vorstellen, „im Italien-Urlaub der Gaststätten-Wirtin meine Dienste anzubieten“. In einem reichlichen Jahr könnte sich der Kundenkreis zudem gen Osten ausdehnen. „Denn dann liegt Zittau inmitten der Europäischen Union.“

Bis dahin müsse er eben vorinvestieren, erklärt der Jungunternehmer nüchtern. „Und das Image meiner Branche aufpolieren, denn das haben in den letzten zwölf Jahren viele Scharlatane kaputt gemacht.“ Deshalb will der Lausitzer Junge auch nicht als Produktvertreter gesehen werden, sondern als Dienstleister. „Einer, der zuhört und Vertrauen gibt. Gerade, wo Geld- und Gesundheitsleistungen heute wichtiger denn je sind.“

Egal, mit welchen Zuschüssen in der Tasche: Scholze wird für die Deutsche Vermögensberatung (DVAG) in Frankfurt am Main über die Lande tingeln. Und das eben nicht als deren Angestellter, sondern als selbstständiger Handelsvertreter. Für die vom Kunden unterschriebenen Verträge gibt es aus Hessen anschließend Provision.

Freundin Berit aus Löbau, die Scholze seit der gemeinsamen Ausbildung kennt, trägt sich ebenfalls mit dem Gedanken an eine Existenzgründung. Schließlich sucht die 20-Jährige seit Mai 2002 vergeblich nach Arbeit. Natürlich wird Roland sie beraten.

Sein DVAG-Büro am Zittauer Markt teilt sich der Twen allerdings mit Kumpel Ralf. Dieser wagte bereits zum 1. Februar den Sprung in die Selbstständigkeit. Allerdings baut der Kompagnon auf die Start-Hilfe der Kommunalentwicklung Sachsen GmbH in Meißen. Deren Mitarbeiterin Gabriele Bergmann weist darauf hin, dass die finanzielle Unterstützung wie bei der Ich-AG arbeitslosen Antragstellern aller Branchen gewährt wird. Indes mit dem Unterschied, dass die Förderung nicht maximal drei, sondern nur ein halbes Jahr beträgt.

Roland Scholze will zudem einen weiteren Unterschied ausgemacht haben: Während die Kommunalentwicklung nicht darauf pocht, dass sich der Existenzgründer gesetzlich versichert, verlange dies das Arbeitsamt von ihm. „Doch das möchte ich nicht, schließlich kriege ich später eh‘ keine Rente ausgezahlt.“ Also wie Kumpel Ralf doch eher in Meißen vorsprechen?

Arbeiten im Westen

ist kein Thema

Oder gar ein anderes Angebot des Bautzener Arbeitsamtes als jenes mit der Ich-AG annehmen? „Da wäre zum Beispiel das sechsmonatige Überbrückungsgeld für frisch gebackene Selbstständige, das sich aus dem letzten Arbeitslosengeld zuzüglich des darauf entfallenden pauschalierten Sozialversicherungsbeitrages ergibt“, erklärt Mathilde Goldschmidt, die Pressesprecherin des Arbeitsamtes. Im Übrigen genügt es schon, einen einzigen Tag arbeitslos gemeldet zu sein, um in Meißen und Bautzen als Existenzgründer gefördert zu werden.

Der Jungunternehmer möchte sich noch im Februar entscheiden, in welche Form der Selbstständigkeit er sich stürzt. Das Hintertürchen „Arbeiten im Westen“ hat sich Roland nie offen gehalten. „Denn ich liebe meine Heimat und habe eine positive Einstellung zu ihrem Arbeitsmarkt.“ Fachlich-rhetorisch will er sich verbessern und nimmt dafür regelmäßig an Schulungen teil. Aber auch für sein Äußeres tut er etwas – zum Beispiel dreimal die Woche im Fitness-Studio. Eine gepflegte Erscheinung schafft Vertrauen bei Kunden von morgen.