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Idylle in Angst

Die Spree wird braun. Noch aber ist die Eisenbrühe nicht im Zentralspreewald angekommen. Ein Test im Paddelboot.

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Von Irmela Hennig

Platsch. Und wieder landen Wassertropfen auf der Hose. Kajak fahren, ganz ohne nass zu werden, irgendwie ist das nicht zu schaffen. Aber es ist ja eben nur – Wasser. Hier in den vielen Kanälen, Armen und Ärmchen der Spree rund um Burg geht es noch. Wenn die Sonne scheint, ist auf der Hose bald nichts mehr zu sehen. Ein paar Kilometer weiter südlich sieht das schon anders aus – vor allem das Wasser. Dort nämlich, bei Vetschau, ist sie angekommen die sogenannte Verockerung. Rostig, rotbraun schiebt sich durch Eisenhydroxid eingefärbtes Wasser durch schmale Flussarme und Kanäle. Und jeder Tropfen, sollte man hier Boot fahren, hinterlässt eben solche braunen, roten und rostigen Spuren – an Kanus und Kajaks, auf Jacken und Hosen, an Händen und vielleicht Gesichtern.

In Vetschau ist es ganz schlimm, aber hier in Burg ist nichts. Das braune Ärgernis hat den Zentralspreewald bislang nicht erreicht. Johannes Rinza ist erleichtert. Der Betreiber des Hafens Waldschlösschen in Burg verleiht Kajaks und Kanus, bietet Kahnfahrten an – und lebt wie so viele hier vom Tourismus. Rund 6 500 Arbeitsplätze schafft die Branche in der Region, weiß man beim Tourismusverband Spreewald. 335 Millionen Euro werden jährlich erwirtschaftet. Die als Folge von Braunkohletagebau braune Spree könnte Ausfälle im zweistelligen Millionenbereich bedeuten. Noch aber ist nichts passiert. Noch kommen die Touristen, auch wenn es immer wieder besorgte Anrufe gibt bei Johannes Rinza und seinen Kollegen. Doch die Bootsverleiher beruhigen – ihre Spree ist ein normaler Fluss. Hier schwimmen nur Zweige, Blätter und ein paar Vogelfedern. Kein superleichter, feiner, alles bedeckender Eisenstaub. Die Sorgen der Anrainer aber sind „ganz groß“, so Johannes Rinza.

Langsam erwacht der Tourismus aus seinem Schlaf. Die ersten Gäste sind schon im Kahn unterwegs. Ein Schlückchen Sekt und gute Laune, heute stimmt das Wetter. Im Sonnenlicht wirkt das Spreewasser dunkelgrün. Dort, wo der Schatten alter Erlen drauffällt, scheint es schwarz. Es ist freundlich. Unverdächtig. Stockentenpaare suchen am Ufer nach Nistplätzen, watscheln empört aus dem Wasser, wenn das Kajak zu nahe kommt. Überall in Büschen und alten Wurzeln haben Vögel ihre Nester. Biber haben Baumstämme durchgenagt.

Noch sind wir fast allein in den verzweigten, ohne Karte kaum zu überschauenden Spreearmen. Ab und zu kommt ein Kahn, von Ferne hört man eine Schulklasse, die sich kichernd und paddelnd durch die Kanäle arbeitet. Wenn die Fließrichtung stimmt, kann man sich treiben lassen.

Ab Sonntag könnte es allerdings weit lebhafter zugehen, so hofft man im Spreewald. Falls das Thermometer wirklich auf 20 Grad klettert, werden hoffentlich deutlich mehr Gäste anreisen. Ein Boot mieten, in einen Kahn steigen oder den vielen neu geschaffenen Radwegen folgen. Und dies, so bangen sie hier, auf lange Sicht ohne das gelöste Eisen. Das nämlich ist der Verursacher der braunen Bäche und Flüsse in der Spreewald-Vorflut. So nennen die Experten das System aus Fließgewässern, das vor dem Spreewald kommt. Das Eisen im Wasser ist eine der späten Tagebaufolgen, mit denen die Region nun zu kämpfen hat. Um Braunkohle zu fördern, wurde einst Grundwasser abgesenkt. Dadurch verwittere das Pyrit (eine Mischung aus Eisen und Schwefel). Als das Grundwasser nach Tagebau-Ende wieder stieg, spülte es das nun wasserlösliche Eisen mit sich fort – in die Flüsse.

Die Lausitzer- und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV) arbeitet nun fieberhaft daran, ein Ausbreiten der braunen Brühe in den zentralen Spreewald zu verhindern. Grubenwasserreinigungsanlagen werden wieder in Dienst gestellt, belastetes Grundwasser will man säubern, unterirdische Dichtwände sind im Gespräch. Neun Millionen Euro kosten allein die Sofortmaßnahmen. Eine fährt in diesen Tagen auf zwei großen und zwei kleinen Rädern durchs Flüsschen Wudritz bei Radden nahe Lübbenau. Ein acht Tonnen schwerer Schreitbagger schaufelt braunen Schlamm, Äste und Blätter aus dem Wasser. Meter für Meter hinterlässt er am Ufer rotbraune Häufen. Die werden später abgeholt.

Wo der Bagger seine Arbeit getan hat, ist das Wasser ein bisschen heller. Wie die Spree in Burg sieht es dennoch nicht aus. Nicht nach Wassermann, Nixen und Kahnromantik. Die Fische fehlen – wo sie konnten, haben sie das Weite gesucht. Wo nicht, sind sie verendet. Mit ihnen verschwanden die Eisvögel und die Fischotter. Ein Lebensraum droht zu sterben, so fürchteten jüngst die Grünen bei einer Rundfahrt durch die betroffenen Gebiete.

In Burg liegen die reetgedeckten Häuser in der Nachmittagssonne. Ein brauner Schlammfaden zieht sich durchs noch immer winterkalte Wasser. Noch ist es nur der aufgewühlte Flussboden.