Von Edda Schlager,aus Almaty
Für 15 Schüler aus Riesa war der Besuch ihrer Partnerschule in Almaty der erste Kontakt mit der Kultur Zentralasiens. Und eine Reise in eine andere Welt. „Ein Erdbeben? Ich habe geschlafen.“ – So wie Sebastian Gunkel haben alle 15 Schüler aus Riesa das erste Großereignis ihrer Reise nach Kasachstan verpasst. In der vergangenen Woche waren die 14- bis 19-Jährigen vom Städtischen Gymnasium Riesa nach Almaty aufgebrochen, und gleich am Morgen nach ihrer Ankunft hatte ein Erdstoß die Millionenstadt zu Füßen des Tien Shan erschüttert. Doch bei einer Stärke von 3,5 haben die Häuser nur ein bisschen gewackelt – Alltag im ehemaligen Alma-Ata.
Über 100 Volksgruppen
Seit 2001 besteht zwischen dem Städtischen Gymnasium Riesa und dem 113. Linguistischen Gymnasiums in der früheren kasachischen Hauptstadt eine Partnerschaft. Initiiert und finanziert wird sie durch das Goethe-Institut. Zweimal waren die Kasachen bereits in Deutschland, und in diesem Jahr haben sich die sächsischen Schüler zu ihrem zweiten Gegenbesuch nach Kasachstan aufgemacht.
Zehn Tage lang hatten die Riesaer Gymnasiasten und ihre beiden Russischlehrerinnen Karin Gläsel und Ingrid Tröschel Gelegenheit, das bisher unbekannte Land zu erkunden. „Das Überraschende für mich war, dass hier so viele Nationalitäten zusammen leben, das hatte ich nicht erwartet“, gibt die 14-jährige Susanne Jacob zu. Weil das kasachstanische Volk aus mehr als einhundert Völkergruppen besteht, waren die Schüler nicht nur bei kasachischen, sondern bei russischen, koreanischen oder ukrainischen Familien untergebracht.
In den Familien erlebten die Schüler das „echte“ Kasachstan hautnah. „Als ich das Haus von außen sah,“ so der 16-jährige Karl Wilhelm zu seiner Unterkunft, „kam mir das erst ziemlich runtergekommen vor. Draußen tropfte eine kaputte Wasserleitung, aber drinnen Ikea-Möbel. Und die Oma hat mich gleich mit einem Kuss begrüßt.“ Gastfreundschaft, sind sich alle Schüler einig, ist das Markenzeichen der Kasachstaner.
Der Straßenverkehr fiel allen Schülern als negative Seite Almatys auf. „Katalysatoren kennen die hier wohl nicht“, so Karl zu den Autoabgasen. Als Ausgleich für diesen schlechten Eindruck hatten die Gastgeber diverse Tagesfahrten aufs Programm gesetzt, um den Deutschen auch die Naturschönheiten Kasachstans vorzuführen.
Shimbulak, 2 000 Meter über dem Meeresspiegel und eines der Ausflugsziele der Riesaer, ist das Nobel-Skigebiet des Landes. Von hier oben ist der Smog über Almaty nur noch eine braune, wabernde Wolke – die Stadt selbst ist darunter nicht mehr zu erkennen. Im bergtauglichen Bus, dem die glatten Straßen auch bei zwölfprozentigem Gefälle nichts ausmachen, quetschten sich zwischen den Gästen aus
Die gleichen Interessen
Deutschland kasachische Schüler aller Altersklassen. Handy-Töne und SMS, Fußballzeitungen und MP3-Player – die Interessen der kasachischen Jugendlichen unterscheiden sich in nichts von denen der deutschen, stellten die Sachsen dabei fest.
Bei den gemeinsamen Ausflügen konnten die Riesaer ihr Russisch testen, zur Not half Englisch. Die meisten kasachischen Schüler sprechen Deutsch, denn sie lernen die Sprache bereits von der ersten Klasse an.
Das Fazit der Exkursion fällt für alle positiv aus. Die Schüler sehen sich nach den Erlebnissen selbstkritisch. Die 17-jährige Nicole ist geradezu beschämt darüber, mit wie wenig technischen Mitteln die Lehrer in Almaty unterrichten und wie wichtig den Schülern eine gute Ausbildung ist: „Zu Hause haben wir fast alles, und trotzdem sind wir nicht zufrieden.“
Der Besuch der Schüler aus Riesa ist vorerst das Ende der vierjährigen Partnerschaft zwischen den beiden Schulen. Nach jeweils zwei Austauschfahrten stellt das Goethe-Institut die Förderung ein. Doch mittlerweile sind Freundschaften entstanden, und die Schüler haben selbst Interesse daran, die Beziehungen aufrecht zu erhalten.