Der Ratskeller am Altmarkt ist schon seiner besonderen Lage und Geschichte wegen gastronomisch das erste Haus am Platz in Löbau. Doch das schlichte Blatt Papier am Eingang mag so gar nicht zur Würde des Ortes passen. "Dauerhaft geschlossen" steht handschriftlich darauf geschrieben und "Vielen Dank für zwei Jahre Treue". Weil es in Wahrheit an dieser Treue - jedenfalls in genügend einträglicher Masse - mangelte, beendet Wirt Sven Neitsch den Versuch, gehobene Gastronomie in Löbaus Guter Stube zu etablieren - genau zwei Jahre, nachdem er hier angetreten war.
"Wir machen zu, bevor wir Schulden machen", sagt Sven Neitsch und schließt daher das vorläufig letzte Kapitel einer Gastronomiegeschichte, die in jüngerer Zeit geprägt ist von erfolglosen Wiederbelebungsversuchen. Nach einem langen Leerstand seit 1992 versuchten sich 2010 und 2015 Betreiber am Ratskeller - und scheiterten. Im Mai 2017 schließlich trat Sven Neitsch an. Der 30-jährige Koch setzte auf ein Konzept mit gehobener Küche und einem separaten Lounge- und Bar-Bereich für die gepflegte Abendunterhaltung. Auf der Menükarte fanden sich Gerichte wie Black-Tiger-Riesengarnelen an Safranschaum oder Ribeyesteak vom Almrind mit Trüffel-Kartoffelstampf als Sättigungsbeilage. "Wenn man das Gleiche anbietet wie alle anderen auch, braucht man es gar nicht zu machen", sagt er.
Dass solche schon im Einkauf teure Feinkost nur bedingt in eine imbissdominierte Gastronomielandschaft wie die von Löbau passt, war ihm von Anfang an bewusst. Das Gastronomieverhalten der Löbauer sei eher hunger- als erlebnisorientiert. "Ich habe darauf vertraut, dass viele Gäste von außerhalb kommen", sagt Sven Neitsch. Tatsächlich schien dieser Plan zunächst aufzugehen. "Viele meiner Gäste kamen aus dem Bautzner Bereich", sagt er. Doch dann kam das, was viele Löbauer Geschäftsleute beklagten: die Kreisverkehrsbaustelle am Neumarkt. "Dadurch hat der Zulauf von außerhalb massiv nachgelassen, weil die Gäste nicht mehr wussten, wie sie in die Stadt kommen sollen. Und im Grunde haben wir uns davon nie erholt", sagt Neitsch.
Sven Neitsch versuchte zunächst, dem Abwärtstrend entgegen zu steuern. Im September letzten Jahres etwa lud er zu einer "Ladies Night" und einer "Mens Night" in seine Lounge. Dort gaben ein Stripper und leicht bekleidete Damen kleine Showeinlagen. Mit solchen Aktionen wollte er sein Lokal für ein breiteres Publikum aufstellen und Schwellenängste nehmen - vergebens. Mit einem günstigen Mittagstisch-Angebot wollte er besonders Mitarbeiter der Verwaltung im Hause ansprechen. "Das wurde aber kaum angenommen", sagt Neitsch. Und auch dem Namen seines Lokals konnte er kaum gerecht werden.
Einst becherten in dem Jahrhunderte alten Lokal die Konventsherren des Sechsstädtebundes. Doch die Damen und Herren des Stadtrates hätten nach ihren Sitzungen an jedem ersten Donnerstag im Monat nur sehr selten den Ratskeller ausgesucht, so Neitsch. Um wenigstens etwas zu retten, machte Sven Neitsch das, was er als Gastronom nie machen wollte - "klassische Küche". Das heißt eben "Schnitzel Wiener Art XXL" & Co. Aber erstens haben das Imbissbetriebe in der Nachbarschaft auch - bloß günstiger - und zweitens war Sven Neitsch dafür nicht angetreten. "Ich will Gastronomie mit Herz und Leidenschaft machen", sagt er.
Diese Leidenschaft ist ihm jetzt gründlich vergangen. "Für mich hat sich Gastronomie erst mal erledigt", sagt er. Dennoch ist er auch dankbar: "Es gibt Leute, die waren hier Stammgäste und haben uns wirklich zwei Jahre lang die Treue gehalten. Dafür danke ich", sagt Sven Neitsch. Am Donnerstag war der letzte Tag im Ratskeller. "Zum 31. Mai musste ich meinen drei Mitarbeitern kündigen", sagt er - die haben aber schon neue Arbeitsplätze gefunden.
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