Im Sicherheitslabor der Dresdner Coronatester

Handschuhe an. Atemmaske auf. Der Test beginnt. Schnell, unspektakulär – aber mit Folgen. Mund auf, Stäbchen rein, kurz am Gaumen kratzen, Mund zu. Das war’s. – So kurz wie das Lesen dieser Zeilen, nicht länger benötigt ein Corona-Test. Zumindest was die Probenahme betrifft. Hausärzte machen dies wenn nötig. Krankenhäuser ebenso. Manchmal auch Forschungsinstitute vor großen Expeditionen.
Doch so kurz der Test auch war, die Auswertung danach hat es umso mehr in sich. Nur vier Labors in Sachsen sind dazu in der Lage. Schließlich handelt es sich um ein ziemlich aggressives Virus, das macht Sicherheitsstandards nötig. Aber mehr noch ist der Virus-Check nur mit medizinischer Hightech möglich.
Nur mit gentechnischen Verfahren lässt sich der Krankheitserreger nachweisen. „Bio II“ steht außen an der Tür, und „Infektionsgefahr“. Sicherheitsstufe 2 bedeutet das. Institutsdirektor Alexander Dalpke wartet bereits im Foyer. Für Sächsische.de öffnet er einen sonst gesperrten Bereich. Nicht einmal jeder Mitarbeiter kann hier so einfach mal rein. Hier findet die gesamte Viren-Diagnostik der Uniklinik statt, und auch vieles von außerhalb.

„Das hier ist dringend.“ Eine medizinische Assistentin reicht im Vorbeigehen ein Kuvert in die eben mal offene Labortür. „Dringend“ hätte sie nicht dazusagen müssen, das steht groß, nicht übersehbar auf dem dicken Umschlag. Und „Coronavirus“ auch noch. „Nichts anfassen, nirgends anstoßen“, warnt der Institutsleiter Fotograf und Redakteur. Die Klebefolie am Fußboden hält schon mal Staub und Schmutz der Schuhe draußen. Die blauen Gamaschen über den Schuhen dienen vor allem der Reinheit im Labor, weniger dem Personenschutz, denn der ist durch die Spezialwerkbänke gegeben.
Der Platz in dem Labor ist nun noch enger. Überall stehen Geräte und Gläser. Ein leises Surren füllt den kleinen Raum. Drei, manchmal vier Mitarbeiter sind hier. Künftig wahrscheinlich eher vier und mehr. Zwischen 10 und 20 Tests macht das Labor derzeit pro Tag. „Das wird sicher viel mehr werden“, sagt Dalpke. 100 Corona-Tests am Tag wären machbar. Und mit dem neuen, zweiten Gerät nochmals 200. Dann aber müssten zusätzliche Mitarbeiter her, oder welche aus anderen Abteilungen. Auch das steht so bereits in den Plänen für den Krisenfall.

Der Coronatest ist aufwendig und eben nur von wenigen Labors machbar. Drei Stunden mindestens dauert es. Allein die Vorbereitung der Patientenproben braucht 15 Minuten, dann erst muss molekular sortiert werden. Also, was ist Virus, und was nicht? Welche genetischen Bausteine gehören zu Corona, und welche zum Steak vom Mittagessen, zum Apfel vom Nachtisch oder einfach nur zum Patienten an sich? Diese Sortierung gelingt mit speziellen chemischen Verbindungen in den Reagenzgläsern, die die richtigen Moleküle vom Virus finden, anpacken und sortieren.
„Das alles reicht noch nicht. Es wäre zu wenig, um das Virus nachweisen zu können.“ Nur wenige milliardstel Gramm Virusmaterial steht letztlich zur Verfügung und soll den Befund liefern. „Das muss extrem vermehrt werden“, sagt Dalpke. Polymerase-Kettenreaktion nennt sich das und erhielt einst sogar den Nobelpreis. Es ist das nahezu unerschöpfliche Kopieren von bestimmten Teilen der Erbsubstanz im Labor. Das Grundwerkzeug der Molekularbiologen, wie Dalpke einer ist. Und nur damit werden unsichtbare Dinge sichtbar. Beim Vaterschaftstest zum Beispiel, bei Krankheiten. Auch Corona-Viren. Der Wissenschaftler bringt einen Vergleich: Wenn die Patientenprobe angenommen so groß wie ein Stück Würfelzucker wäre, dann würde das vermehrte und kopierte Genmaterial eine ganze Abraumhalde vom Bergwerk groß sein.

Kein Bergwerk, keine Halde, nur ein kleines Röhrchen ist es in der Laborrealität, welche letztlich vom Analysegerät betrachtet wird. Auf dem Monitor ergeben die Linien für den Forscher Sinn. Die einen zeigen, der Test läuft normal. Und die eine an anderer Stelle würde bedeuten: Virus gefunden. Test positiv. Der Patient ist infiziert.
Nur, solch ein Test hat Grenzen. „Wir haben eine diagnostische Lücke“, sagt Dalpke. Es ist jene Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Krankheit. Die kann bei Corona bis zu zwei Wochen betragen, in der Regel aber weniger. Doch da hilft auch dieser Test nichts. „Ein negatives Testergebnis heißt dann nicht, dass das Virus nicht doch schon vorhanden ist.“ Die Viren sind da. „Das Virus hat sich aber noch nicht so vermehrt, dass man es nachweisen könnte.“ Deshalb mache der Test ohne jedes Symptom wenig Sinn, sagt Dalpke. Bis dahin wäre die Krankheit noch nicht ansteckend, eben wegen der wenigen Viren. Vielleicht einen, möglicherweise sehr wenige Tage vor den ersten Symptomen wird ein Patient erst infektiös, kann also auch andere anstecken. Dann aber wäre auch das Virus im Hightech-Labor nachweisbar.

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