Von Manuela Reuß
Früher lagerten im Objekt 35 in der Königsbrücker Heide gefährliche SS 20 Raketen. Jetzt haben Fledermäuse dort Quartier bezogen, um Winterschlaf zu halten. Auch in den Bunkern Rehlehne, Sella Nord, Tafelberg und im Bunker am Weißen Haus hängen einige der fliegenden nachtaktiven Säugetiere herum und verschlafen die kalte Jahrezeit.
Finden Fledermäuse kein Quartier für den Winter, kommt das ihrem Todesurteil gleich. Deshalb hat sich die Stiftung Europäisches Naturerbe (Euronatur) der bedrohten Tierarten angenommen. Die Bunker in der Königsbrücker Heide gehören zu insgesamt 40 Objekten, die von der Stiftung in Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zu Fledermaus-Winterquartieren ausgebaut werden. Nach den Worten von Projektleiter Matthias Meißner von Euronatur sind Fledermäuse „hochgradig bedroht“. Deshalb sei alles, was für ihre Erhaltung getan wird, wichtig. In einigen der bestehenden Objekten habe sich die Anzahl der Flugtiere erhöht, in anderen stabilisiert.
Winterquartiere lebenswichtig
In Königsbrück ist der Verein Naturbewahrung Westlausitz dabei quasi der verlängerte Arm von Euronatur. Ehemalige Bunkeranlagen, so Projektleiterin Cornelia Schlegel, eignen sich sehr gut als Winterquartiere für Fledermäuse. „Zumal es in solchen ausgeräumten Landschaften nur sehr wenige natürliche Höhlen gibt.“ Doch die brauchen die häufig vom Aussterben bedrohten Tiere, nicht nur um Winterschlaf zu halten. Auch als Sommerschlafplätze und als Wochenstuben. 19 verschiedene Fledermausarten gibt es in Sachsen, acht davon in der Königsbrücker Heide. Auch weil mit vielen Insekten das Nahrungsangebot für die seltenen Säuger dort nahezu ideal ist. Fast alle von ihnen stehen auf der so genannten Roten Liste Sachsens. Das heißt, sie sind vom Aussterben bedroht. So beispielsweise auch das große Mausohr, die Fransenfledermaus, der großen Abendsegler oder die große und kleine Bartfledermaus.
Mittels Temperaturfühler wurden die Bunker einen Winter lang auf Tauglichkeit als Fledermausquartier untersucht. Schließlich ging es auch darum, Objekte herauszufinden, die mit relativ geringem Aufwand für die kleinen Winterschläfer hergerichtet werden können. Geeignete Quartiere zeichnen sich laut Meißner dadurch aus, dass sie im Winter störungsarm, frostfrei, gut belüftet und auch feucht sind. Im Sommer dagegen sollten sie warm, ungestört und geräumig sein. Außerdem sind beispielsweise raue Oberflächen nötig, an denen sich die Fledermäuse anhängen können.
Schild für ungebetene Gäste
Insgesamt sieben Bunker wurden schließlich entsprechend präpariert, zum Beispiel mit Putzwurf oder Einbau von Einflugröhren. Die Nutzung hat Euronatur mit der Stiftung Wald für Sachsen – dem Besitzer der Königsbrücker Heide – vertraglich geregelt. Geplant ist auch, die pelzigen Gäste durch das Anbringen von Schildern vor ungebetenen Besuchern zu schützen.
Pure Neugier sei es, die in den vergangenen Wochen Leute dazu brachte Türen und Gitter aufzubrechen. „Die Leute haben gesehen, dass an den Bunkern was gemacht wurde und wollten nun gucken was los ist“, weiß Cornelia Schlegel. Doch das ist äußerst gefährlich für die Flugtiere. Werden die kopfunter hängenden Winterschläfer wiederholt aufgeschreckt, reichen ihnen die im Herbst angelegten Fettreserven nicht mehr. Sie verbrauchen zu viel Energie, wenn sie die für den Winterschlaf gesenkte Körpertemperatur und Atmung steigern müssen. Das kann tödlich enden.
Fransenfledermäuse haben die Ex-Militäreinrichtung inzwischen erobert. Das hat vor kurzem die Kontrolle der Winterquartiere ergeben. Außerdem wurde das Braune Langohr gesichtet. Insgesamt 19 Tiere haben die Fledermausschützer aus Königsbrück und von Euronatur gezählt. „Sie waren ein wenig enttäuscht über die Zahl“, verrät Cornelia Schlegel. Doch das sei keinesfalls tragisch. „Das ist schließlich der erste Winter. Wir müssen die weitere Entwicklung abwarten.“