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Immun gegen Rechts?

In Ländern wie Irland und Portugal haben es rechte Nationalisten schwer. Aus dem Vergleich lässt sich zumindest ein Schluss ziehen. Ein Gastbeitrag.

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Buntes Irland: In dem katholisch geprägten Land votierte bei einem Volksentscheid 2015 eine klare Mehrheit für die Homo-Ehe. Anhänger in Dublin jubeln über die Entscheidung.
Buntes Irland: In dem katholisch geprägten Land votierte bei einem Volksentscheid 2015 eine klare Mehrheit für die Homo-Ehe. Anhänger in Dublin jubeln über die Entscheidung. © EPA/Aidan Crawley

Von Mariana S. Mendes

Der Aufstieg rechtspopulistischer und rechtsradikaler Kräfte in Deutschland und anderen Teilen Europas ruft vielerorts Sorgen und Verunsicherung hervor. Dabei sind Ostdeutschland und Sachsen längst keine Ausnahmen mehr. Die Ausnahme bilden heute eher Staaten, in denen sich rechte Parteien (noch) nicht durchsetzen konnten. Nach dem jüngsten Aufstieg der nationalistischen Partei Vox in Spanien sind es nur noch Portugal, Irland und kleine Staaten wie Luxemburg und Malta, in denen solche Wahlerfolge ausbleiben. Was ist in diesen Ländern anders? Warum sind sie scheinbar „immun“ gegen rechte „Verlockungen“?

Rechtspopulistische und rechtsradikale Parteien unterscheiden sich von den anderen Parteien durch ihre nationalistische – oder „nativistische“ – Orientierung und ihre homogene Vorstellung der Nation. Deren Kultur und Identität sehen diese Parteien sowohl von Nicht-Einheimischen, wie etwa Einwanderern, als auch von supranationalen Kräften, wie der EU, als gefährdet an. Rechtsparteien betonen Recht und Ordnung. Sie vertreten zudem populistische, gegen eine politische „Elite“ gerichtete Ansichten.

Denken Menschen in Portugal, Irland, Luxemburg und Malta anders über Politik? Im Vergleich zu den Ländern, in denen rechtsradikale Parteien erfolgreich sind, zeigen diese vier Länder jedenfalls wichtige Unterschiede bei den Einstellungen zu jenen Themen, die Wähler rechtsradikaler Parteien normalerweise am meisten mobilisieren. Malta weicht dabei noch einmal deutlich von den anderen drei ab.

Der Inselstaat gehört unter den EU-Mitgliedsländern zu jenen mit den negativsten Einstellungen gegenüber Migration. Insgesamt denken 63 Prozent der Malteser, Migration stelle eher ein Problem als eine Chance dar (laut Eurobarometer 2018). Noch auffälliger ist, dass Malta durchweg zu den Ländern gehört, in denen sich die Menschen am meisten über Einwanderung besorgt zeigen. Es stellt sich also die Frage: Wieso hat sich hier dennoch keine Anti-Einwanderungspartei durchsetzen können?

Gründe für die Abwesenheit einer Anti-Einwanderungspartei müssen im Spektrum der politischen Parteien gesucht werden. Zu diesen Gründen können beispielsweise das Fehlen einer charismatischen Führungspersönlichkeit oder die Besonderheit des maltesischen Parteiensystems gehören. Tatsächlich ist das maltesische Parteiensystem stark von Patronage und Klientelismus geprägt, was eine starke Parteienbindung der Wähler zur Folge hat. Darüber hinaus vertreten auch die Regierungs- und Mainstreamparteien in Malta nicht gerade liberale Positionen zur Migration. So wurde es Hilfsorganisationen voriges Jahr verboten, Rettungsschiffe in maltesischen Häfen einlaufen zu lassen (ohne die Zusicherung, Flüchtlinge auf andere Länder umzuverteilen). Aber auch die außergewöhnlich gute ökonomische Lage und das hohe Maß an öffentlichem Vertrauen in die maltesische Regierung könnten dazu beitragen, das Aufkommen einer neuen Rechtspartei zu verhindern.

Ein ganz anderes Bild ergibt sich in Luxemburg. Dort sehen nur 17 Prozent der Personen Einwanderung überhaupt als ein Problem an. Außerdem ist Luxemburg das Land, in dem die wenigsten Menschen der Meinung sind, Einwanderer erhöhten die Kriminalität oder seien eine Belastung für den Wohlfahrtsstaat. Das Land ist bekannt für kulturelle Vielfalt und Mehrsprachigkeit. Viele Bürger glauben, ausländische Arbeitnehmer trügen dazu bei, dass Luxemburg zu den wohlhabendsten Ländern weltweit gehört.

Wieder anders ist es in Portugal und Irland. Sie gehören nicht zu den Ländern mit den positivsten Einstellungen zur Migration, wenngleich sie über dem EU-Durchschnitt liegen. Gemeinsam ist beiden Ländern aber, dass Migration nicht als vordringliches Problem angesehen wird. Dies geht aus den Erhebungen zur „Salienz“, das heißt Aufmerksamkeit politischer Themen, hervor, die der Eurobarometer in regelmäßigen Abständen durchführt. Demnach wird das Thema Migration nur von wenigen Iren und Portugiesen als besonders bedeutsam wahrgenommen. Für rechte Parteien ist es daher schwer, politisches Kapital aus migrationskritischen Einstellungen der Bürger zu schlagen. Diese müssten durch eine hohe Salienz des Themas „aktiviert“ werden.

Doch gerade in Portugal und Irland blieb – entgegen dem europäischen Trend – die Salienz von Migration vergleichsweise niedrig. Als danach gefragt wurde, was die beiden wichtigsten Themen für ihr jeweiliges Land sind, haben nur drei Prozent der Portugiesen und nur fünf Prozent der Iren das Thema Migration im letzten Jahr erwähnt. In Deutschland waren es hingegen 36 Prozent.

Irland und Portugal sind Auswanderungsländer

Bei der Frage, wie erfolgreich die Integration der Einwanderer wahrgenommen wird, führen Irland und Portugal die EU-Rangliste an: 80 Prozent der Befragten in Irland sind der Meinung, Integration sei erfolgreich. Ebenso sind in Portugal nur zwölf Prozent der Meinung, Integration sei nicht erfolgreich. Portugal und Irland gehören zu den westeuropäischen Ländern, die im Verhältnis zu ihrer Bevölkerung die wenigsten Asylbewerber von 2016 bis 2017 aufgenommen haben.

Anti-Einwanderungs-Debatten befördern häufig auch anti-muslimische Einstellungen. Deshalb ist ebenfalls erwähnenswert, dass laut Daten des Pew Research Center von 2016 Portugal und Irland die beiden Länder mit der geringsten Anzahl an Muslimen in Westeuropa sind (0,4 Prozent und 1,4 Prozent der Bevölkerung, gegenüber 6,1 Prozent in Deutschland und 8,8 Prozent in Frankreich). Auch wegen des unverändert niedrigen Anteils an Muslimen finden Befürchtungen über fortschreitende Islamisierung der Gesellschaft – anders als in Ostdeutschland – kaum Anklang in der Bevölkerung.

Außerdem sind sowohl Irland als auch Portugal traditionell Auswanderungsländer. Erst in den Neunzigerjahren wurden sie Nettoempfänger von Einwanderern, wobei sich im Zuge der Finanzkrise wieder eine leichte Trendumkehr abzeichnet. In Portugal und Irland (wie auch in Luxemburg) ist das Bild der EU besonders positiv, ebenso die Einstellung gegenüber der Globalisierung. Dies begrenzt den potenziellen Spielraum für einen Erfolg antieuropäischer und antiglobalisierungspolitischer Kräfte.

Alle genannten Faktoren und Daten stellen wichtige Bedingungen für den Misserfolg rechter Parteien dar. Ein Patentrezept gegen Rechtspopulismus und -radikalismus lässt sich daraus nicht unbedingt ableiten. Wenn man etwas aus Ländern lernen möchte, in denen rechte Parteien politisch noch nicht Fuß gefasst haben, dann dies: Ihr Erfolg hängt von einer Vielzahl von Bedingungen ab – und diese müssen nicht unbedingt etwas mit den mehr oder weniger migrationskritischen Einstellungen der Bevölkerung zu tun haben.

Die Grundeinstellungen zu Migration in der Bevölkerung sind in der Regel relativ stabil, also nur schwer veränderbar. Was sich eher ändert, sind andere Faktoren (darunter insbesondere die Salienz des Themas Migration), von denen der Erfolg rechtsradikaler Parteien abhängt. Daraus folgt letztlich auch: Rechte Parteien können ebenso schnell wieder verschwinden, wie sie gekommen sind.

Mariana S. Mendes kommt aus Portugal und ist zurzeit Gastforscherin beim Mercator Forum Migration und Demokratie (Midem) an der TU Dresden. Sie arbeitet als Politikwissenschaftlerin am European University Institute in Florenz (Italien).