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Dresdner Corona-Protest: "Es gibt keine Epidemie"

Sonnabends am Palais-Teich treffen sich viele Dresdner "privat", um dann doch ihren Protest gegen die da oben irgendwie loszuwerden.

Von Alexander Schneider
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Mehrere Dutzend Menschen haben sich am Sonnabend am Palaisteich im Großen Garten getroffen, um gegen die staatlichen Corona-Einschränkungen zu demonstrieren. Das sagt aber kaum jemand.
Mehrere Dutzend Menschen haben sich am Sonnabend am Palaisteich im Großen Garten getroffen, um gegen die staatlichen Corona-Einschränkungen zu demonstrieren. Das sagt aber kaum jemand. © Foto: Alexander Schneider

Dresden. Der Große Garten im Herzen Dresdens entwickelt sich sonnabends zum Hotspot für Impfgegner, Verschwörungstheoretiker und Menschen, die den staatlichen Pandemie-Bekämpfern sehr skeptisch gegenüber stehen. „Es gibt keine Epidemie“, sagen sie selbstbewusst.

Kurz nach 15 Uhr versammeln sich nach und nach mehrere Dutzend Menschen am Palais-Teich. Wobei der Begriff „versammeln“ nach der Überzeugung der Menschen vor Ort wohl schon nicht ganz korrekt ist. „Wir sind privat hier“, sagt eine Frau. Jemand „Offizielles“, einen möglichen Versammlungsleiter sucht man vergebens, es ist ja auch keine Versammlung, was hier gerade passiert. Das wird später auch die Polizei bestätigen.

Protest auf der Matte: Corona-Zweifler im Großen Garten.
Protest auf der Matte: Corona-Zweifler im Großen Garten. © SZ/Alexander Schneider

Sie kommen nicht ganz unvorbereitet

Und doch sind viele der zufällig Anwesenden nicht ganz unvorbereitet. Manche tragen gelbe Westen, andere haben Transparente, auf denen etwa „Nein zum Impfzwang“ oder „RKI-Zahlen selbst googlen“ zu lesen ist. Mehrere halten das Grundgesetz in den Händen. Aus einem Auto heraus werden bunte Luftballons verteilt. Während die einen am Sommercafé für ein Bier oder ein Eis anstehen, rollen andere auf einer angrenzenden Wiese ihre Gymnastikmatten aus, um zu meditieren. „Grundgesetz reaktivieren“ hat ein Mann auf sein T-Shirt geschrieben. Auf einem anderen Pappschild steht, dass inzwischen mehr Menschen wegen des Coronavirus verblödet als an ihm gestorben seien.

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Die meisten jedoch bevölkern den Asphalt und scheinen zu warten. Ganze Familien sind da, auch jüngere Menschen und vor allem ältere. Viele von ihnen waren am Vortag, dem 1. Mai, bereits am Neumarkt bei einer Kundgebung von Henry Mattheß, der die Öffnung von Kitas, Schulen und Spielplätzen gefordert hatte. Viele Gesichter sind auch montags als Teilnehmer bei Pegida zu sehen. Wie schon am Neumarkt zeigen sich auch am Palaisteich mehrere AfD-Stadträte.

Auch die Polizei ist da. Erst verhalten mit einem Einsatzfahrzeug, dann werden es mehr und mehr. Die Uniformierten halten sich lange zurück, angesichts dieser im Hinblick auf das Infektionsschutz-Gesetz problematischen Ansammlung. Am Ende sind es zwölf Einsatzfahrzeuge. Erst nach eineinhalb Stunden fahren mehrere Polizeiautos vor.

„Achtung, Achtung, hier spricht ihre Polizei!“, schallt es aus dem Lautsprecher. Bei dem „ihre“ lachen viele. Die Beamten fordern die Menschen auf, den Ort zu verlassen. Größere Menschenansammlungen seien nicht gestattet. Natürlich bleibt das nicht unkommentiert, doch die Leute gehen tatsächlich. Es bleibt ein friedlicher Protest gegen die staatlichen Corona-Auflagen.

"Wem nützt das alles?"

Erst beim Gehen werden einige deutlich. Sie stellen die staatlichen Maßnahmen als Instrument dar, die Bevölkerung gefügig zu machen, zu versklaven. „Es gibt keine Virus-Epidemie“, sagen sie. Alles Lüge. „Sie müssen fragen: Wem nützt das alles?“  Die Antwort wird gleich dazu geliefert: Bill Gates und dem Weltfinanzsystem, sie alle wollten auf Kosten der Bevölkerung noch reicher werden. Es sei doch kein Zufall, dass Milliardär Gates Sponsor der Robert-Koch-Instituts (RKI) und der Berliner Charité sei, behaupten sie. Es sei daher wichtig, die Zahlen und Informationen dieser Einrichtungen kritisch zu hinterfragen. Es gebe zahlreiche Wissenschaftler, die eine ganz andere Auffassung vertreten als Charité und RKI.

Eine Frau hat ein Schild, auf dem „Schluss mit dem Corona Irrsinn – totalitäre Prävention ist nicht im Sinne der Gesellschaft“ steht. Sie verweist auf Eva Herman, die ehemalige Tagesschau-Sprecherin, die einen in bestimmten Kreisen recht erfolgreichen Videoblog betreibt. Und dann spricht sie auch noch von "Adrenochrom", einem menschlichen Stoffwechselprodukt, das angesichts der Corona-Pandemie in Verschwörungstheorien neu befeuert wird. Der Sänger Xavier Naidoo etwa ist ein prominenter Anhänger dieser Theorie, wonach Kinder gezielt missbraucht und getötet würden, um an diesen Stoff zu gelangen. Es scheint, als würden Dinge umso glaubwürdiger betrachtet, je weiter sie von den Warnungen des RKI abweichen. 

Während einige offen Verschwörungstheorien anhängen, betonen andere, dass der Staat niemanden zwingen könne, sich impfen zu lassen. Die ganze Hysterie sei von diesem Staat bewusst inszeniert. Dabei sei doch längst klar, behaupten sie, dass das Coronavirus nicht gefährlicher sei als eine Influenza. Die weit überwiegende Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland lehne Zwangsimpfungen ab, sagt einer. Dazu dürfe man nicht gezwungen werden. 

Am kommenden Sonnabend werden sie wohl wieder am Palais-Teich im Großen Garten ihre Matten ausrollen.

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