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In der „Tanne“ wackeln die Wipfel

Die Techno-Party „Polarzeit“ geht in zweiter Auflage am Sonnabend in der Pirnaer „Tanne“ über die Bühne. Dann erwacht der still gelegte Kulturtempel zu neuem Leben – aber vorerst nur für eine Nacht.

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Von Thomas Möckel

Rund 100 Jahre haben die Pirnaer Tannensäle inzwischen auf dem Buckel. In DDR-Zeiten zum Kreiskulturhaus umfunktioniert, war das Gebäude lange Zeit ein Ort von festlich-ruhigen Veranstaltungen: Jugendweihefeiern, Theateraufführungen, Konzerte mit einheimischen Unterhaltungs-Combos. Im März 2002 schloss das Haus endgültig seine Pforten – Zukunft ungewiss.

Am Sonnabend wird der einstigen Kulturstätte nach langem Dornröschenschlaf wieder Leben eingehaucht – mit 180 Beats in der Minute. Dann verwandelt sich der Ballsaal hinter der schlichten Fassade mit Gletscherspalten, Silberfolie, weißem und blauem Licht und Nebel aus der Maschine in eine Eishöhle – Partystimmung für vorerst eine Nacht. Nach dem Erfolg der Veranstaltungs-Premiere im Dezember starten die Pirnaer Partymacher um Stefan Meister den zweiten Aufguss ihrer „Polarzeit“.

Wie schon beim ersten Mal war der Jurastudent und Freizeit-Party-Manager auf der Suche nach dem passenden Ort für die Disko. Ins Auge gefasst hatte er zunächst eine Halle auf dem Gelände des ehemaligen Strömungsmaschinenwerks. „Das wäre eine super Sache gewesen, ein altes Gebäude mit Glasturm und Wendeltreppen“, erzählt Meister. Doch das Unterfangen scheiterte. Der für die Gebäude zuständige Insolvenzverwalter stellte sich quer und versagte seine Zustimmung.

Da kam dem Hobby-Discjockey die „Tanne“ in den Sinn. Denn das Haus ist ihm nicht unbekannt: Vor einigen Jahren drehte er im Saal seine Runden beim Tanzstunden-Abschlussball.

Meister erfuhr, dass das ehemalige Kulturhaus seit dem 1. Januar 2003 neue Eigentümer hat. Zwei Frauen kauften das Gebäude für 30 000 Euro. Sie wollen allerdings nicht selbst Geld in die sanierungsbedürftigen Tannensäle investieren. Vielmehr vermieteten sie das Haus an die Pirnaer Dance House Diskotheken GmbH.

Stefan Meister machte deren Mitarbeiter Jörg Friedrich als Ansprechpartner ausfindig. Der Party-Organisator traf sich mit Friedrich, erklärte ihm sein Anliegen – und der Vertrag war unter Dach und Fach. Die zweite „Polarzeit“ war also gesichert.

„Friedrich hat mir erzählt, dass er die „Tanne“ zu einer Stadthalle und einem Kongresscenter umkrempeln will. Später sollen dort Veranstaltungen für alle Altersgruppen stattfinden“, berichtet Meister. Zugleich habe er zugesagt, dass vorher die Techno-Party über die Bühne gehen kann – ein wummernder Abschied vor dem Neubeginn. Mit der Sanierung des einstigen Kulturhauses soll voraussichtlich im Juni begonnen werden. Dafür wolle er auch Fördermittel bei der Stadt beantragen, kündigte Friedrich an.

Dieses Ansinnen erstaunte allerdings Pirnas Baubürgermeister Eckhard Lang. „Ich weiß nur, dass es bei den Tannensälen einen Eigentümerwechsel gab. Ein Bauantrag liegt aber noch nicht auf meinem Tisch“, sagte er auf der jüngsten Sitzung des Bauausschusses. Eine Aussage über Fördermittel könne er daher noch nicht treffen. Es werde aber Gespräche mit den neuen Besitzern geben, wie es mit der „Tanne“ weiter geht, so Lang.

Der Landkreis Sächsische Schweiz hatte den maroden Kulturtempel im März 2002 geschlossen. Der Grund: Geldmangel. Die Stadt Pirna hatte zuvor angeboten, das Haus zu übernehmen. Allerdings unter der Bedingung, dass sich der Kreis an den Sanierungskosten beteiligt. Wohl wissend, dass der Kreis dem nicht nachkommen konnte.