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In der Vorweihnacht haben die Langfinger Hochkonjunktur

Ladendiebe verursachen auch in der Kamenzer Region große Verlustebei den Händlern.

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Von Reiner Hanke

Ladendiebe machen derzeit im Kamenzer Raum besonders lange Finger. Im November gingen im Kamenzer Revier 25 Anzeigen ein. Das sei mehr als das Doppelte verglichen mit Durchschnittsmonaten, heißt es. Es sei immer wieder zu beobachten, dass die Zahlen im Oktober oder November etwas ansteigen, schätzt Polizeihauptmeister André Gebler vom Revier Kamenz ein. Das Weihnachtsfest werfe dann schon seine Schatten voraus, und Diebe gehen auf ihre Art zur Geschenkejagd.

Geklaut wird fast alles

Das ist eine mögliche Erklärung. In den meisten Fällen seien die Motive der Langfinger aber schwer zu ermitteln. Die erwischten Sünder zögen es vor zu schweigen. Fest stehe: Die Täter kommen aus allen Altersgruppen und Schichten: „Von Sieben- bis 70-Jährigen, von Ungelernten bis zu Akademikern“, sagt André Gebler. Hauptsächlich würden allerdings Jugendliche und junge Erwachsene dingfest gemacht. „Oftmals stecken Mutproben“ dahinter, weiß der Polizist. So versuchte jetzt ein Truppe von vier Leuten, Kondome in einem Motorradhelm aus einem Laden zu schmuggeln und wurde prompt geschnappt. Gerold Rölke, Geschäftsführer vom Handelsverband in Ostsachsen, beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Ladendiebstahl und beschreibt den Teufelskreis: „Die Eltern können sich beispielsweise den Beitrag für einen Sportverein nicht leisten. Die jungen Leute sind ziellos, streifen durch die Stadt. Manche werden zu Dieben.“ Auch die Kamenzer Polizeikommissarin Sandra Daues sieht durchaus in der wachsenden Armut, gerade der Kinderarmut einen der Gründe für die Ladendiebstähle. Die Hitliste beginnt bei Bekleidung und reicht über Zigaretten bis zu Elektronik. Allein im Revier Kamenz wurden innerhalb der vergangenen sechs Monate über 80 Ladendiebstähle registriert. Gestohlen werde eigentlich alles vom DVD-Player bis zu Werkzeug. Oft geht es aber um kleine Dinge: Da klaute dieser Tage eine Frau Schokobällchen für 2,81 Euro oder ein Mann Rasierklingen für 8Euro.

Die meisten Fälle konzentrieren sich im Kamenzer Revierbereich auf die beiden Einkaufszentren mit den Kauflandmärkten in der Kreisstadt. Aber andere Verkaufsstellen leiden ebenso unter den Langfingern. Der Pulsnitzer Rewe-Chef Uwe Meinert schätzte gestern ein: „Die Mitarbeiter sind angehalten, durch besonders große Aufmerksamkeit Diebstähle zu unterbinden. Außerdem arbeiten wir eng mit einem Sicherheitsdienst zusammen.“ Sehr gekonnt werde geklaut, berichtet ein Kamenzer Marktleiter: „Abends finden wir dann zum Beispiel die leeren Rasierklingen-Päckchen.“ Letztlich müsse die Belegschaft die Verluste erarbeiten: „Solche Leute gefährden sogar unsere Arbeitsplätze“, schimpft der Händler und würde sich eine härtere Verfolgung erwischter Täter wünschen (Kasten).

Ladendiebstähle seien ein Dauerproblem, sagt Petra Kirsch von der Polizeidirektion in Görlitz. Vorsichtig ist man deshalb, steigende Trends an bestimmten Feiertagen aus den Zahlen zu lesen. „Die Ladendiebe beschäftigen uns eigentlich immer“, so Kirsch. Und die Statistik sei trügerisch. Die Dunkelziffer wäre enorm. Erst die Inventur zeige oft das ganze Ausmaß des Schadens. Gerold Rölke schätzt die Dunkelziffer auf über 90Prozent.

Aufrüsten mit Technik

Gegen die wirtschaftlichen Schäden sei der jüngste Lottojackpot geradezu ein Klacks. Rölke spricht deutschlandweit von zwei Milliarden Euro Verlust pro Jahr für den Handel. Auf diesem enormen Niveau stagniere die Schadenssumme, obwohl die Geschäfte immer mehr mit Sicherungstechnik aufrüsten würden. Die Polizeidirektion empfiehlt, dafür auch die Beratung durch Experten der Kriminalpolizei zu nutzen. Gerold Rölke rät den Unternehmen zudem dringend „jeden Diebstahl anzuzeigen, damit er nachverfolgt werden kann. Die Täter müssen spüren, dass es kein Kavaliersdelikt ist.“