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Zu Besuch in Löbaus letzter Mangel

Ein Besuch in Löbaus letzter öffentlicher Wäscherolle: Es gibt kaum noch Kunden – doch ein Schweizer möchte die nostalgische Maschine gerne haben.

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© Markus van Appeldorn

Von Markus van Appeldorn

Löbau. Das Schild an der Hauswand in der Löbauer Goethestraße kündet von einer anderen Epoche – und jüngere Menschen werden gar nicht mehr verstehen, was mit der Aufschrift überhaupt gemeint sein soll. „Öffentliche Wäscherolle – Selbstbedienung – Rolle im Hof“ steht da. Diese Wäscherollen, mächtige Kaltmangeln, gab es früher in beinahe jedem Stadtviertel. Gewissermaßen dienten sie als kollektives Bügeleisen für Bettlaken, Kissenbezüge oder Tischwäsche. Heute verzeichnet das Innenministerium in ganz Sachsen noch 26 denkmalgeschützte Wäscherollen. Das Löbauer Vorkriegsexemplar aus der „L. A. Thomas Maschinenfabrik Großröhrsdorf“ rumpelt noch ohne amtliches Denkmal-Siegel vor sich hin.

Gabriela Lachnit auf dem Weg zur Wäscherolle. Ein Schild am Hauseingang weist auf den historischen Service hin.
Gabriela Lachnit auf dem Weg zur Wäscherolle. Ein Schild am Hauseingang weist auf den historischen Service hin. © Markus van Appeldorn
SZ-Reporterin Gabriela Lachnit ging auf eine nostalgische Zeitreise. In der letzten öffentliche Wäscherolle in Löbau wickelte sie noch mal Bettwäsche und Tischtücher auf die Doggen.
SZ-Reporterin Gabriela Lachnit ging auf eine nostalgische Zeitreise. In der letzten öffentliche Wäscherolle in Löbau wickelte sie noch mal Bettwäsche und Tischtücher auf die Doggen. © Markus van Appeldorn

Die SZ testete den Service der letzten verbliebenen Wäscherolle weit und breit. Dafür begab sich Reporterin Gabriela Lachnit auf eine nostalgische Zeitreise. „Ich habe bestimmt seit 30 Jahren nicht an so einer Rolle gestanden“, sagt sie. Aber für den Termin hat sie sich bestens präpariert. Bei ihrer Mutter hat sie sich mehrere sogenannte Rolltücher besorgt. „Die hatte damals jeder daheim. Die braucht man, um die Wäsche darin einzurollen“, erklärt Gabriela Lachnit. Außerdem hat sie einen Korb voller Bett- und Tischwäsche mitgebracht. „Das füllt später nur noch den halben Wäschekorb“, sagt sie.

Die Wäscherolle ist in einem eigenen Häuschen im Hof untergebracht. Drinnen auf einem Tisch liegt ein Holz bereit, das ausschaut wie ein überdimensionales Nudelholz. „Das ist eine Dogge“, sagt sie, „darauf werden das Rolltuch und die Wäsche aufgerollt.“ Auch der Begriff „Kaule“ ist dafür gebräuchlich. Sie positioniert ein Ende des Rolltuchs unter der Dogge und fängt an, Kissenbezüge und Laken darauf auszubreiten. „Am besten achtet man schon beim Abnehmen von der Wäscheleine darauf, dass alles möglichst glatt und ordentlich zusammengelegt ist“, erklärt Gabriela Lachnit. Dann legt sie den Elektroschalter der Wäscherolle um. Mit einem mahlenden Geräusch und geführt von einem Gestänge fährt eine gut vier Meter lange Holzkiste in ihre Startposition. Eine Mechanik senkt ein Schutzgitter. Jetzt legt die Reporterin die aufgewickelte Rolle bündig an das Maschinenende der Rollbahn. Mit dem Heben des Schutzgitters startet die Maschine erneut und bewegt die Wäscherolle hin und her. Im nächsten Arbeitsgang gibt die Maschine auch die Rollbahn auf der anderen Seite frei. Gabriela Lachnit ersetzt die dortige Leer-Dogge durch ihr zweites Wickelpaket. Nur das tonnenschwere Gewicht, das auf den Rollen lastet, glättet die Wäsche. „Bettwäsche geht nur mit speziellen Wäscheknöpfen. Moderne Kunststoffknöpfe würd‘s zermalmen“, weiß Gabriela Lachnit. Nach einer halben Stunde ist sie mit dem Rollergebnis zufrieden: „Wie ich gesagt habe, die Wäsche füllt nur noch den halben Korb.“

Eigentümer der letzten Wäscherolle ist Dieter Betzold. Der 75-Jährige wohnt im Haus. „Vor 16 Jahren ist der damalige Hauswirt und Eigentümer weggezogen und hat sie verschenkt“, sagt der Rentner. Er selbst hat eine jahrzehntelange Beziehung zur Rolle. „Als Kind habe ich die Steine geschleppt, mit denen der Holzkasten gefüllt ist. Wöchentlich reinigen er und seine Frau Helga alles. Und einmal im Jahr kriecht er noch selbst hinter und unter die Maschine, um Lager und bewegliche Teile einzufetten. „Solange sie läuft, werden wir sie betreiben“, sagt er – auch wenn nicht mehr viele Kunden kommen.

Aber selbst, wenn Dieter Betzold mal nicht mehr kann, hat er schon einen Interessenten: „Ich hatte mal einen Besucher aus der Schweiz. Der hat alles fotografiert und gesagt: „Wenn Sie die Rolle mal nicht mehr brauchen, rufen Sie an. Dann komme ich mit einem Tieflader.“

Öffentliche Wäscherolle an der Löbauer Goethestraße. Geöffnet Montag und Freitag, 9-17 Uhr. Nutzungsgebühr 2 Euro pro Stunde.