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In Dresden liegt der Schlüssel zum Weltmarkt

Sachsen ist bekanntlich unheimlich stolz darauf, wieder ein Standort für die Chipindustrie zu sein – aber sind die Heilserwartungen berechtigt, die an die neue Kernindustrie des wirtschaftlichen Aufschwungs...

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Von Peter Weißenberg

Sachsen ist bekanntlich unheimlich stolz darauf, wieder ein Standort für die Chipindustrie zu sein – aber sind die Heilserwartungen berechtigt, die an die neue Kernindustrie des wirtschaftlichen Aufschwungs im Großraum Dresden gestellt werden? Oder, anders gefragt: Ist „Silicon Saxony“ nur ein frommer Wunsch der hiesigen Wirtschaftsförderer?

Nein, die Zukunft Sachsens nimmt bereits erkennbare Formen an – sogar im Weltmaßstab. Und diese Einschätzung kommt nicht von jemand, der für derart frohe Botschaften bezahlt wird: James C. Morgan äußert im Gespräch mit der SZ diese Meinung; und der Manager muss es eigentlich wissen. Denn Morgan ist seit 25 Jahren Vorstandschef des weltgrößten Zulieferers für die Chipindustrie, Applied Materials.

Der Amerikaner war vor wenigen Tagen erst wieder in Dresden, um sich vom Ausbaustand der dortigen Firmen zu überzeugen – und beeindruckt: „Die hiesigen Standorte von Infineon und AMD, bei denen wir 70 Prozent der technischen Ausstattung eingerichtet haben, sind derzeit die Spitze der Branche.“ Deswegen wohl hat Morgan vor kurzem seine Dresdner Niederlassung zum Deutschland-Hauptquartier ernannt. „Hier entsteht die Schlüsseltechnologie, die anderswo erst in Jahren eingesetzt wird – ein Riesenvorteil in einem Markt, dessen Umsätze sich bis 2007 auf über 300 Milliarden Euro verdoppeln werden.“

Zusammen mit den Standorten Amsterdam und Grenoble sind die Dresdner für Applied Material ein Schlüsseltechnologie-Zentrum. Mit derzeit 210 Mitarbeitern sitzt die Hälfte des deutschen Personals in Sachsen – die meisten von ihnen sind Ingenieure: 150.

Neue Phase im Hauptquartier Dresden

Sie arbeiten derzeit an einer neuen großen Herausforderung: der Maskenfabrik, die im Dresdner Norden als Gemeinschaftsunternehmen der Platzhirsche AMD und Infineon mit dem Dupont-Konzern entsteht – auch für Morgan ein weiterer Qualitätssprung des Chip-Standortes Dresden. „Damit kommt die Industrie hier in eine neue Phase“, zieht der Manager die Paralelle zu seiner kalifornischen Heimat. Auch dort seien erst einzelne Fabriken entstanden. Dann sei die neueste Technologie eingesetzt und entwickelt worden. Und später kam es – wie jetzt in Dresden – zu Firmenverbünden. „Das sind Referenzen, die einen Ort für Spitzenleute aus der ganzen Welt attraktiv machen“, so Morgan.

Spitzenleute – das müssen dabei indes nicht immer Fremde sein: Anfang der Neunziger Jahre hatte Morgan beispielsweise rund 30 Mitarbeiter aus der sächsischen Chipindustrie angeheuert und weitergebildet. Jetzt arbeiten die Fachkräfte nach Stationen in aller Welt wieder in Dresden – wo inzwischen auch für den Konzern geforscht wird. Das könnte ein neuer Quell von Millioneninvestitionen in Sachsens Zukunft sein; denn Applied ist ein Forschungsgigant (siehe Kasten)

Überdies kooperiert der Weltmarktführer bei den Spezialmaschinen bereits seit Jahren mit der Dresdner und Chemnitzer Technischen Universität. „Aus dieser Forschungszusammenarbeit haben wir schon konkrete Produkte wie die Kupfer-Technologie für die neueste Chipgeneration ableiten können, die aus Chemnitz kommt – das ist sicher auch eine Perspektive für die dortigen Studenten“, so Morgan.

Und diese Perspektive könnte bald noch stärker im Freistaat angesiedelt sein. Denn mit dem raschen Ausbau der Chipindustrie verstärkt sich auch der Bedarf nach den Diensten von Applied Materials, ist sich Morgan sicher. Obwohl der 64jährige über konkrete Personal-Entwicklungen nicht sprechen mag, lässt er dennoch durchblicken, dass sich Applied nach mehr Büroraum in Dresden umschaut. So einfach sei es allerdings gar nicht, 3 000 Quadratmeter in geeigneter Lage zu bekommen.