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In fremder Haut

Als Gesunder im Rollstuhl fahren? Was sich nach makaberer Abwegigkeit anhört, kann auch Mittel zur Erkenntnis sein. Das erfuhren die Schüler der Freitaler Ludwig-Richter-Grundschule jüngst bei zwei ungewöhnlichen Projekttagen.

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Als Gesunder im Rollstuhl fahren? Was sich nach makaberer Abwegigkeit anhört, kann auch Mittel zur Erkenntnis sein. Das erfuhren die Schüler der Freitaler Ludwig-Richter-Grundschule jüngst bei zwei ungewöhnlichen Projekttagen. Unter dem Motto „Menschen mit Behinderung neben uns“ versuchten die Kinder einmal in die Haut derer zu schlüpfen, die durch Krankheit oder von Geburt an mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung zurecht kommen müssen.

Der Rollstuhlparcours war dabei nur ein Baustein. Der Lerneffekt sei jedoch enorm gewesen, sagte Schulleiterin Christina Nake. In den langen Gängen ihrer Schule und in der Turnhalle versuchten die Kinder, statt wie gewohnt auf zwei flinken Beinen, jetzt auf vier Rädern voran zu kommen. Ein Hindernis, nicht höher als ein Bordstein, wurde zur fast unüberwindbaren Blockade. „Die Kinder waren erstaunt, wie schwer das Vorwärtskommen im Rollstuhl ist“, sagte Schulchefin Nake. Dabei hätten alle begriffen, dass dieser Selbstversuch kein Ulk sei.

Wie es ist, auf einen seiner Sinne teilweise oder ganz verzichten zu müssen, erfuhren die Kinder auch bei anderen Experimenten. Mit einem Fernglas – verkehrt herum vor die Augen gehalten – passierten sie eine Hindernisstrecke, ertasteten in „Fühlkisten“ verschiedene Gegenstände und versuchten, Geräusche des Alltages ihren Verursachern zuzuordnen.

„Die Kinder sollen offener mit behinderten Menschen umgehen und auch Hilfe anbieten“, sagte Schulleiterin Nake. An Kontakten fehlte es bei den Projekttagen nicht. So hatte sich die 3. Klasse Gäste aus der Förderschule (G) in Freital-Hainsberg eingeladen. Nach einem gemeinsamen Frühstück gab es ein Sportfest mit Gymnastik, lustigen Spielen und Mutproben. Erstaunlich sei es gewesen, berichtete Christina Nake, wie fair und rücksichtsvoll die Kinder miteinander umgegangen seien. „Auch beim gemeinsamen Fußballspiel, Tischtennis und Federball haben sie sich prima verstanden“, so Nake.

Die Erstklässler aus Burgk statteten indessen den Kindern des Förderkindergartens in Zauckerode einen Besuch ab, die 2. bis 4. Klassen sahen sich in den Wichern-Werkstätten der Diakonie in Freital um.

Schulleiterin Nake hofft nun, dass die Projekttage an ihrer Schule keine Eintagsfliege bleiben. Die Erstklässler wollen demnächst ein gemeinsames Programm aus Liedern und Gedichten mit dem Förderkindergarten einüben. (SZ/jös)