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In Liebstadt fährt man jetzt Auto

Reinhard Peschke ist sicher kein zartbesaiteter Mensch. Als Geschäftsführer der regionalen Verkehrsgesellschaft Sächsische Schweiz (VSS), hat er den Laden fest im Griff. Wenn zum Beispiel die Internetseite...

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Von Martin Busche

Reinhard Peschke ist sicher kein zartbesaiteter Mensch. Als Geschäftsführer der regionalen Verkehrsgesellschaft Sächsische Schweiz (VSS), hat er den Laden fest im Griff. Wenn zum Beispiel die Internetseite spinnt, darf ein Mitarbeiter rennen, um das Problem „schleunigst zu beseitigen.“ Und wehe, es funktioniert nicht.

Doch beim Blick auf den geänderten Busfahrplan „wird mir auch ganz anders“, gibt er zu. „Der tut mir weh.“ Zu Recht. Die VSS kürzt den Plan nämlich zusammen. Und das radikal. Ab 13. Juli. Mehr als zwanzig Busverbindungen werden eingestellt. Meist trifft es nur die Randzeiten, früh morgens oder spät abends. Nach Liebstadt und Stolpen fährt am Wochenende allerdings gar nichts mehr. Auch Ausflüger auf dem Pirnaer Sonnenstein müssen sich umstellen. Der letzte Bus fährt nun um 22.22 Uhr ins Stadtzentrum zurück. Viel zu früh für Menschen, die die Nacht zum Tag machen wollen. Sie sind nun auf das Auto angewiesen. Der Frühbus um 4.30 Uhr ist nämlich auch eingestellt.

Peschke weiß, was nun kommt. Ärger aus den Kommunen, Beschwerdebriefe von Kunden und schlechte Presse. „Doch ich kann nicht anders“, verteidigt er sich. Der Kreistag hat ihm rund 250 000 Euro gestrichen. Einfach so, weil der Kreis sparen muss. „Dabei sind wir schon so sparsam“, fühlt sich Peschke ungerecht behandelt und rechnet vor:

Die VSS macht pro Fahrgast 35 Cent Verlust

Pro Fahrplan-Kilometer bekommt die VSS ca. 50 Cent Zuschuss vom Kreis. Die Bahn kassiert vom Verkehrsverbund Oberelbe fast elf Euro. Ebenfalls pro Kilometer. Dabei fährt die VSS 86 Prozent aller Fahrgäste durch den Kreis. Die Bahn nutzen lediglich 14 Prozent. Außerdem sei der vom Kreis beanspruchte Zuschuss für den Nahverkehr bereits außergewöhnlich niedrig. Im Schnitt bekämen andere Verkehrsgesellschaften 1,3 Millionen Euro mehr. Peschke hat sogar einen Brief an den Kreistag geschrieben, zehn Seiten lang und voller Frust. „In den Abendstunden, an Wochenenden und an Feiertagen fehlen Verbindungen“, schreibt Peschke den Abgeordneten ins Stammbuch und fordert explizit mindestens so viel Geld wie im 2002. Bereits damals musste die VSS Kürzungen hinnehmen. Ebenfalls eine viertel Millionen Euro. „Die VSS geht davon aus, dass eine Leistungsreduzierung die Erlös-Kostenspirale auslösen würde“, fürchtet der Geschäftsführer und meint damit: Je schlechter die Busverbindung ist, desto weniger Kunden steigen ein. Damit wird das Angebot immer unrentabler und wird irgendwann eingestellt. Übrig bleiben dann nur noch profitable Strecken zwischen großen Städten. Eine Regionalgesellschaft wie die VSS, könnte dann weitgehend zumachen.

Doch gebracht hat das alles nichts. Der Landrat hat ihm höflich, aber bestimmt geantwortet und ist hart geblieben. Die VSS bekommt keinen Cent mehr. „Also haben wir gerechnet“, erzählt Peschke weiter und kramt riesige Papierberge hervor, auf denen Zahlen, Tabellen, Prozente und Buslinien stehen. Jede Verbindung, die weniger als 25 Prozent der Kosten deckt, kam auf den Prüfstand und fiel meist unten durch. In Liebstadt war der Fehlbetrag besonders hoch. 27 000 Euro kostet es, die Busse hin und her fahren zu lassen. Pro Wochendende. 3 000 Euro zahlen die Fahrgäste mit ihren Tickets zurück. Macht eine Kostendeckung von genau: 11,43 Prozent. „Wir mussten da handeln“, entschuldigt sich Peschke und bekommt es deshalb bald mit Liebstadts Bürgermeister Hans-Peter-Retzler (PDS) zu tun.

In seiner Stadt geht nämlich gar nichts mehr. Denn nicht nur die VSS grenzt Liebstadt aus. Auch die Linie „Glashütte-Liebstadt“ hat sich nicht gerechnet und wird deshalb wochenends eingestellt. Retzler nimmt das so nicht hin und hat sich schon beim Landrat beschwert. Für den Bürgermeister müssen sich kommunale Aufgaben wie der Nahverkehr nämlich nicht unbedingt rechnen. „Die hat der Staat zu erbringen und zu bezahlen“, so Retzler. „Dafür bezahlen wir Bürger Steuern“. Statt mit der Sense vorzugehen, setzt der PDS-Mann auf intelligente Lösungen wie Sammeltaxen zum Bustarif. „Doch warum muss ich mir das ausdenken,“ fragt Retzler und hätte sich mit der VSS gern darüber unterhalten.

Doch damit hat der VSS so seine Probleme. Wie die SZ aus gut unterrichteten Kreisen erfuhr, ist auch die entsprechende Pressemitteilung mehrfach vom Landkreisamt entschärft worden. Er nickt Presseinfos ab, weiI ihm die VSS zu rund 51 Prozent gehört. Probleme gibt es dabei selten. Nur diesmal, lobt sich die VSS für ihre Leistungen erst einmal selber, schwärmt dann von einer neuen Wochenendnachtverbindung zwischen Dresden und Pirna. Eingestellte Buslinien sind kein Thema. Stattdessen ist harmlos von „Fahrplanänderungen auf einzelnen Linien“, die Rede. Wie die konkret aussehen, muss jeder selber herausfinden.

VSS-Chef Peschke kommentiert solche Gerücht nicht. Astrid Linke, die Pressesprecherin des Landratsamtes spricht aber lieber von „Abstimmungen, die regelmäßig zwischen VSS und Landratsamt stattfanden.“

Andere Unternehmen müssen 53 Cent zuzahlen

Die Kunden selber werden recht gut informiert. Seit gestern ist der neue Fahrplan unter www.vss-pirna.de abrufbar. Jeder Busfahrer bekommt Handzettel mit auf den Weg. Im Infobüro am Pirnaer Busbahnhof liegt ebenfalls Infomaterial aus.

Die dürften auch in Stolpen reißenden Absatz finden. Denn dort herrscht Sonntags ebenfalls Auto-Pflicht. Bürgermeister Uwe Steglich (FDP) hat dafür sogar Verständnis, „weil wir alle sparen müssen.“ Geschäftsführer Peschke wundert das nicht. Nach Stolpen fährt nämlich auch eine Bahn. Das beruhigt die Leute“, weiß Peschke. Doch dann käme das böse Erwachen. Die Bahn hält nämlich nicht in Bonnewitz oder Wünschendorf, beides sind reine Busstädte. Auch der Bahnhof Dürrröhrsdorf liegt fußgängerfeindlich. Peschke: „Doch machen Sie das mal den Kreisrät klar.“