SZ +
Merken

In Rabenau läutet es wieder

Die Kirchglocken sind seit gestern wieder in Betrieb. Von ihrem Klang nach der Reparatur ist man angetan.

Teilen
Folgen

Von Tobias Winzer und Annett Heyse

Es ist exakt 7.47 Uhr als Rabenaus Glocken am gestrigen Freitag einen Ton von sich geben – zaghaft zwar, es ist ja nur eine Probe. Unten steht Erik Derr, der Vorsitzende der Kirchgemeinde, und ist begeistert. „Die Glocken haben einen ganz anderen Klang als vorher“, sagt er. „Das klingt viel weicher. Man hat das Gefühl, die Glocken werden gestreichelt.“ Der 42-Jährige hört es in diesem Moment zum ersten Mal seit November wieder läuten. Bei einer ersten Probe vor zwei Wochen war er nicht dabei. Mit dem regulären 18-Uhr-Geläut gestern Abend wurde die lange Geschichte der Glockenreparatur abgeschlossen.

Zum letzten Mal im Einsatz waren die Glocken am 8. November. Danach wurden sie aus dem Kirchturm gehoben und in eine Glockenschweißerei ins schwäbische Nördlingen gebracht. Dort erhielten sie sozusagen eine Frischekur. Denn beide Glocken, so robust sie aussehen, waren stark mitgenommen. Schon vor längerem musste die Rabenauer Kirchgemeinde das intensive Läuten an Feiertagen einstellen, auch die Schläge im Viertelstundenrhythmus gab es nicht mehr.

Derr hat mit seinen Mitstreitern monatelang die Sanierung der Glocken vorangetrieben. Für die Rabenauer Gemeinde war es ein Kraftakt. Rund 27 000 Euro der geschätzten Gesamtkosten von 57 000 musste die Gemeinde selbst aufbringen. „Es gab sogar eine Einzelspende von deutlich mehr als 3 000 Euro“, sagt Derr. Auch der 80-jährige Sohn eines Pfarrers, der nach dem Zweiten Weltkrieg in Rabenau arbeitete, meldete sich. „Er lebt in Leipzig und hat 1 300 Euro gespendet. Das ist doch Wahnsinn, dass da noch so eine Bindung zu Rabenau da ist.“ Auch die Stadt steuerte Geld bei. Die restlichen 30 000 Euro kommen zum großen Teil von der Landeskirche, ein kleinerer Teil von der Denkmalpflege.

Die große Spendenbereitschaft hängt wohl auch mit der wechselhaften Geschichte der Glocken zusammen. Die Bronzekolosse, 250 und 550 Kilogramm schwer, waren 1723 und 1773 in einer Dresdner Werkstatt gegossen worden. Über mehrere Generationen läuteten sie zu fröhlichen, traurigen und feierlichen Anlässen. Im Zweiten Weltkrieg wurden sie nach Hamburg verschifft – das Material wurde für die Kriegsproduktion gebraucht. Irgendwie machten sie einen Bogen um den Schmelzofen und kamen auf einem Pferdefuhrwerk nach Rabenau zurück.

Was ihnen anschließend zusetzte, war eine unsachgemäße Sanierung der Rabenauer Kirche 1967. Damals wurde ein neuer Glockenstuhl errichtet, jedoch nicht wieder aus Eichenholz, hinein kam stattdessen ein Stahlgerüst. Auch wurden beide Glocken angebohrt und um 90 Grad gedreht aufgehängt. Eine neue Schwingrichtung und noch dazu ein Glockenstuhl, der die Vibration nicht mehr aufnehmen konnte, strapazierten das Geläut derart, dass Unwuchten entstanden. Innerhalb von 40 Jahren war kaputt, was vorher über 250 Jahre gehalten hatte. In Nördlingen wurden die Glocken nun geschweißt und die Bohrungen verschlossen.

Stundengeläut fehlt noch

Als die Glocken Mitte Juni mit rund zweimonatiger Verspätung nach Rabenau zurückkehrten, veranstaltete die Kirchgemeinde als Dankeschön einen öffentlichen Gottesdienst mit Glockenweihe auf dem Marktplatz. Anschließend wurden die Glocken in Millimeterarbeit per Kran durch die schmalen Fenster des Kirchturms gehoben und dort provisorisch an einen Dachbalken gehängt. In den vergangenen Wochen bauten Zimmerer einen Glockenstuhl aus Eichenholz. Das Gerüst vorher aufzubauen, wäre nicht möglich gewesen. Dann hätten die Glocken nicht mehr in den Turm manövriert werden können.

Die Firma Glockenläute- und Elektroanlagen aus Heidenau installierte zuletzt die gesamte Technik rund um die Glocken. Wie zuvor können sie nun aus der Kirche oder vom benachbarten Pfarrhaus heraus gesteuert werden. Wie in all den Jahren zuvor werden auch die reparierten Glocken immer um 7, um 12 und um 18 Uhr läuten. Auf das Stundengeläut müssen die Rabenauer aber noch ein wenig warten. Das dafür nötige Schlagwerk ist laut Derr bestellt und wird voraussichtlich in zwei bis drei Wochen geliefert.

Für den Elektromeister ist die Arbeit mit dem Kirchgebäude noch lange nicht abgeschlossen. Im August soll noch der hölzerne Kirchturm neu gestrichen werden. Diese Arbeiten sind in den 57 000 Euro für das Glocken-Projekt enthalten. Irgendwann, so Derr, sollen auch die Kanzel und der Taufstein restauriert werden. „Mit den Glocken haben wir aber erst einmal ein großes Stück geschafft.“