Viele Sachsen glauben, dass die Debatte um ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen eine rein westdeutsche sei. Denn der „Gender Pay Gap“, die Lohnlücke zwischen vollzeitbeschäftigten Frauen und Männern, liegt im Freistaat laut Statistischem Bundesamt nur bei 7,5 Prozent und ist damit deutlich niedriger als in ganz Deutschland, wo er 20,8 Prozent beträgt. Tatsächlich fällt der Lohnunterschied jedoch höher aus, wie eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeit und Berufsforschung (IAB) zeigt.
Rechnet man den Teil des Verdienstes heraus, der auf strukturelle Unterschiede bei der Berufswahl, Qualifikation, Beschäftigungsumfang, Berufserfahrung und den geringeren Anteil von Frauen in Führungspositionen zurückzuführen ist, erhält man den bereinigten Gender Pay Gap. Er liegt in Sachsen bei 11,4 Prozent. Zum Vergleich: Im gesamten Bundesgebiet beträgt er 14,7 Prozent. Der Vorsprung der sächsischen Frauen schrumpft also. Jeder neunte Gehalts-Euro, der ihnen zusteht, geht an Ihnen vorbei.
Abitur, Ausbildung oder Studium in Dresden machen? Die AFBB, die AWV und die FHD laden zum Online-Infotag ein!
Vergleicht man Frauen und Männer, die sich in ihren lohnbestimmenden Merkmalen ähneln, also den gleichen Job in der gleichen Stadt machen, „müssten Frauen eigentlich mehr verdienen als Männer, weil sie häufig besser qualifiziert sind, mehr Hochschulabschlüsse vorweisen können“, betont IAB-Forscherin Antje Weyh. Dass dies nicht der Fall ist, führt sie auf den Teil der Lohnlücke zurück, den man nicht erklären kann und der auf das Verhalten bei Gehaltsverhandlungen oder Familienverpflichtungen zurückzuführen ist – Faktoren, die sich nicht messen lassen.
So fällt auf, dass Dresden nach Zwickau den zweithöchsten Gender Pay Gap ausweist. Er liegt bei 10,1 Prozent, in Zwickau bei 11,6 Prozent. In der westsächsischen Stadt haben mehr Männer gut bezahlte Arbeitsplätze in der Automobilindustrie inne als in anderen Städten, deshalb der hohe Lohnunterschied. Das greift als Erklärung für Dresden nicht. Auch liegt es laut Weyh nicht an einer schlechteren Qualifikation der Frauen. Der Grund dürfte vielmehr darin liegen, dass weibliche Führungskräfte in Dresden schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen, vermutet sie.
Ihre Schlussfolgerung: Insgesamt muss auch in Sachsen weiterhin an der beruflichen Gleichstellung gearbeitet werden. Dazu gehöre die Möglichkeit, Frauen und Männern gleichermaßen Erwerbsunterbrechungen zur Fürsorge von Kindern und Angehörigen einzuräumen und Aufstiegschancen gleich zu verteilen. „Generell ist jedoch wichtig, sich schon früh klar zu werden, was wie viel in welchem Beruf verdient wird, wie die Lohnentwicklung aussieht und welche Aufstiegschancen man hat“, rät Weyh.