In Schlaghose und Rüschenhemd

Bautzen. Gegen 18 Uhr sind die Kontrollen an der Pforte zu Bautzens Ortenburghof noch nicht so streng. Die Tischchen, an denen die uniformierten Damen vom Einlass gleich die Eintrittskarten der Theatersommer-Besucher abstempeln werden, stehen noch nicht an Ort und Stelle. Aber es ist schon Musik von der Bühne zu hören. Zeit für den Soundcheck. Tasso Schille, der musikalische Leiter, und die anderen drei Musiker sind, noch in Alltagskleidung, bereits an ihren Instrumenten. Und nun reihen sich dahinter auch noch die Schauspieler ein, die für den Background sorgen.
Praktischerweise lässt sich die Plattform mit der in knalligen Farben gestreiften Rückwand vor- und zurückfahren, sodass Band und Sänger hinter den Kulissen verschwinden können. Die meiste Zeit stehen sie aber im Rampenlicht. Musik war ja zuletzt beim Theatersommer auf dem Ortenburghof immer dabei, aber diesmal spielt sie eine besondere Rolle. Denn zum Lebensgefühl „Am kürzeren Ende der Sonnenallee“ in Ostberlin Ende der 1970er-Jahre gehören eben unbedingt auch die Songs von Karat, Frank Schöbel und den Puhdys – aber ebenso der Beatles und Rolling Stones.
Während nun die ersten Besucher auf den Hof spazieren, sind aber nur ein paar Takte zu hören. Noch ist die Plattform unbeleuchtet und hinter den blauen Baustellenvorhängen versteckt, die in der ersten Szene des Stücks fallen werden. Ein Tontechniker läuft auf der noch leeren Zuschauertraverse hin und her, um den Klang auszusteuern. Als alles stimmt, zerstreuen sich Sänger und Musiker – die einen erst mal in die Maske, die anderen auf einen Imbiss in die Kantine.
Banane und Multifunktionstisch
Tasso Schille setzt sich mit seinen Musikern an einen Tisch. „Die Stimmung in der Band ist gut“, sagt er. Man teile sich auf der Bühne sogar eine Banane, erzählt er mit einem Augenzwinkern. Natürlich darf im Stück die Frucht, die es in der DDR so selten zu kaufen gab, nicht fehlen. Noch viele weitere Details aus der damaligen Zeit – vom nur bedingt funktionsfähigen Multifunktionstisch bis zur begehrten Westzeitschrift – wecken beim Publikum Erinnerungen. Vor allem aber die Musik.
„Man merkt schon, dass man den Nerv der Leute trifft. Viele singen auch mit“, sagt Gitarrist Marc Dennewitz. Zusammen mit Bassist Lars Födisch und Heiko Jung am Schlagzeug sowie Tasso Schille, der nicht nur die musikalische Leitung verantwortet, sondern auch Keyboard spielt, bildet er an diesem Abend die „Mauersegler“. Die Band mit dem zum Handlungsort im Schatten des „antifaschistischen Schutzwalls“ passenden Namen hat Schille extra für den Theatersommer zusammengestellt, sie spielt in wechselnder Besetzung. Den in Dresden beheimateten Musikern, die sonst in unterschiedlichen Formationen und Projekten spielen, ist das Bautzener Theater vertraut. Eine Live-Band wirkte hier ja hin und wieder schon mit. „Das letzte Mal hatten wir das bei ,My Fair Lady‘“, sagt Tasso Schille. 2015 wurde das Musical mit den eingängigen Melodien sehr erfolgreich erst unter freiem Himmel und dann noch einige Male im großen Haus gespielt.
Pionierlieder im Puhdys-Titel
Auch die „Sonnenallee“ wartet mit eingängiger Musik auf. An die 25 Titel hat Tasso Schille arrangiert – und einiges speziell für die Inszenierung „zusammengebaut“, etwa zwei Pionierlieder in einen Puhdys-Titel integriert. Auch fürs Abschlussfeuerwerk gibt’s eine eigene Choreografie. Der Abend sei für die Musiker schon anspruchsvoll, sagt Schille, sie müssten die ganze Zeit sehr konzentriert sein. Denn da sie nur zu viert sind, wäre jeder Fehler zu hören. Neben der Band sorgen die singenden Hauptdarsteller dafür, dass die Zuschauer musikalisch in Erinnerungen schwelgen können. Auch den Backgroundchor geben Schauspieler. Sie kommen meist direkt aus ihren Szenen zu den Musikern, werfen sich schnell noch einen Glitzerumhang übers Kostüm.
Inzwischen hat sich die Traverse bis auf den letzten Platz gefüllt, die Pforte wird geschlossen. Die Musiker auf ihrem Podest sind bereit, nun in Schlaghose und Rüschenhemd. Es kann losgehen: „Türen öffnen sich zur Stadt“...
Theatersommer noch bis 28. Juli, Mittwoch bis Sonntag, Karten: Telefon 03591 584225, www.theater-bautzen.de