Von Hanskarl Pfennig
Unsere Stadt war ursprünglich keine Wohn-Schlaf-Siedlung, sondern sie lebte durch die Menschen, die in ihr ihre Arbeite hatten. Vor allem in ihren Straßen und Gassen pulsierte das emsige Leben der verschiedenen Gewerke. So zeichnete sich ihr Bild über Jahrhunderte ab.
Ausreichend Arbeitsplätze
Erst in der Zeit der Industrialisierung wurde vieles anders. Wenn es draußen dunkel wurde, kehrten im Winterhalbjahr die Arbeiter und Angestellten aus den Fabriken nach Hause zurück. Sie hatten ihr Tagewerk vollbracht, und niemand brauchte sich damals um seine Anstellung zu sorgen. Deshalb gab es einst ganze Heerscharen von Einpendlern, die neben den Einheimischen die Arbeitsplätze besetzten. Die Bahn brachte sie täglich in den Morgenstunden in die Stadt. Vom Bahnhof her zog sich dann ihr Strom in verschiedenen Richtungen. Andere wiederum wurden von Bussen befördert. Diese Einpendler waren mehr Angestellte der Betriebe, der verschiedenen Dienststellen der Stadt und der Amtshauptmannschaft sowie des Amtsgerichtes. Ein solches Bild um den Kamenzer Bahnhof herum war in der Zeit um die Jahrhundertwende 1900 hier allgemein üblich.
Andererseits wurden viele Arbeitsstellen von Hiesigen besetzt, womit es für diese kürzere Arbeitswege gab, als das im Vergleich dazu heute der Fall ist. Bei den zahlreichen Handwerkern war es zu einem großen Teil so, dass ihre Lehrlinge und Gesellen in ihrem Haus untergebracht waren – mit kürzesten Wegen zu ihren Arbeitsplätzen. Deshalb konnte man sie nicht ohne weiteres in den Straßen der Stadt in ihrer Arbeitskleidung entlangziehen sehen. Anders dagegen verhielt es sich mit den Hunderten von Textilarbeitern. Ihr Zug zu den Betrieben hin war durch ihre blaue Arbeitskleidung gekennzeichnet. Der führte zumeist zu den Tuchfabriken, die sich vom Damm durchs Herrental bis vor den Eulenfelsen und in die Breite Straße hinein hinzogen. Andere Arbeiter zogen bis zu Niegels in die Schützenstraße oder gar bis zur Bernbrucher Tuchfabrik hinaus. Aber auch die Metallarbeiter von Heidsiecks und von Stendels sowie die Glasarbeiter vom Hüttenberg waren an ihrer Kleidung zu erkennen. An vielen Stellen, wo früher in Kamenz Werktätige Werte schufen, ist es heute still geworden. Kein Industrielärm zieht mehr durchs Herrental und damit auch keine zu ihrer Arbeit ziehenden Menschen mehr.