Ingenieur muss ins Gefängnis

Dresden. Nach fünf Monaten und 15 Verhandlungstagen endete am Donnerstag der Prozess um einen Millionenbetrug mit sogenannten Koordinaten-Messgeräten. Auch das Landgericht Dresden hat in der Beweisaufnahme keine Belege für die Existenz dieser angeblichen Wundertechnik gefunden. Die Angeklagten, zwei Ingenieure aus Dresden und aus der Nähe von Heidelberg, hatten ihren Geldgebern, vor allem Leasing-Gesellschaften, den Handel mit der Elektronik nur vorgegaukelt. Die Staatsanwaltschaft Dresden beziffert den Gesamtschaden seit 2014 auf knapp zwei Millionen Euro.
Haupttäter ist der 49-jährige Dresdner Mario M., der seit Februar vergangenen Jahres in Untersuchungshaft sitzt. Der Deutsche soll schon seit 2008 solche und ähnliche Geschäfte gemacht haben, damals mit dem tatsächlichen Hersteller der Geräte. Nachdem dieser jedoch im August 2012 gestorben sei, habe sich M. nach einem anderen Partner umsehen müssen. Das sagte der Vorsitzende Richter Karl Elser in seiner Urteilsbegründung. So sei Gregor T. (50) ins Spiel gekommen, ein früherer Arbeitskollege von M.
Offenbar hatte M. für den Betrug die hochwertigen Geräte, die seit vielen Jahren stets mit einem Preis von 17.300 Euro gehandelt wurden, erfunden. Tatsächlich existent waren jedoch baugleiche Geräte, die weder optisch noch durch die verwendeten Bauteile von den teuren Geräten zu unterscheiden waren. Zuletzt sagte M., der Unterschied liege in der Stellung von acht Mikroschaltern, die im Fall der teuren Geräte zu einer Verdopplung der Messgenauigkeit geführt hätten. Vorher hatte der Ingenieur jedoch von "vier Schaltern" beziehungsweise von "einem Schalter" gesprochen. Wegen solcher offensichtlicher Widersprüche und ähnlicher Aussagen warf Richter Elser dem Angeklagten vor, teilweise bewusst gelogen und seine Aussagen an den jeweiligen Stand der Beweisaufnahme angepasst zu haben.
Schneeballsystem zur Finanzierung
T. habe sich fortan gegenüber den Leasing-Gesellschaften als Hersteller ausgegeben, ihm seien die Darlehen ausgezahlt worden, die er nach Abzug seines Anteils unmittelbar an M. weitergeleitet habe. Mit einem Teil der erbeuteten Summe habe M. Leasing-Raten beglichen, um bei den Investoren keinen Verdacht zu erregen. Staatsanwalt Enrico Hofmann beschrieb die Masche daher als ein Schneeballsystem.
Viele Jahre ist der Schwindel niemandem aufgefallen. Erst als M. auch noch versucht hatte, die Versicherung zu betrügen, indem er mehrere Auto-Einbrüche in Kroatien und England vortäuschte, kam die Sache ans Licht. Wie Richter Elser nun anmerkte, habe M. schon vor dem angeklagten Tat-Zeitraum zahlreiche Einbrüche angezeigt, bei denen stets diese teuren Geräte, der Wert wurde immer mit jeweils 17.300 Euro abgegeben, gestohlen worden seien.
M. muss das in der Sitzung mit der Begründung bestritten haben, dass er keinen Vorteil bei einer solchen Tat gehabt hätte. Das sah Elser jedoch anders. Wenn eine Versicherung den Schaden übernimmt, spare sich M. die Rückzahlung der Darlehensraten: "Natürlich ist das ein geldwerter Vorteil."
Betrug und Bankrott
Die Verfahren wegen der Autoeinbrüche hatte das Gericht in der Beweisaufnahme im Hinblick auf die übrigen Vorwürfe eingestellt. Neben den 21 Betrugsfällen mit insgesamt knapp 70 Messgeräten wurde M. nun auch wegen Bankrotts verurteilt. So habe er mit dem erbeuteten Geld zwei Grundstücke am Wachwitzer Elbhang gekauft. Nachdem er 2017 die Rückzahlungen der Leasingraten eingestellt und in England ein Privatinsolvenzverfahren angestrebt hatte, habe er die Grundstücke weit unter Wert an einen Strohmann verkauft, um das Vermögen zu verschleiern. Später hatte er die Flurstücke für rund eine halbe Millionen Euro jedoch tatsächlich veräußert. Nach M.s Verhaftung hat die Staatsanwaltschaft einen Großteil dieses Geldes gesichert.
Richter Elser sprach von einem "Blumenstrauß an Indizien", der die Vorwürfe belege. M. habe die Taten bis zuletzt nicht eingeräumt, sein Aussageverhalten stets an den Stand der laufenden Beweisaufnahme angeglichen und mehrfach gelogen. Elser: "Die Messgeräte hat es nie gegeben." Das Gericht verurteilte M. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten.
Bewährungsstrafe für den Mitangeklagten
Auch der Mitangeklagten Gregor T. habe entgegen seiner eigenen Darstellung genau gewusst, dass es sich um krumme Geschäfte gehandelt habe, so Elser. Die Sache sei "weit weg von irgendeinem legalen Geschäft" gewesen. T. wurde wegen Beihilfe zum Betrug zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt.
Staatsanwalt Hofmann hatte deutlich höhere Strafen gefordert - für M. sieben Jahren und zehn Monate Haft und für T. vier Jahre und vier Monate. Die Verteidiger hatten Freisprüche beantragt. Während T.s Anwalt argumentierte, T. habe nichts von M.s Schwindel gewusst, behauptete M.s Verteidiger, seinem Mandanten seien die Taten nicht nachzuweisen. Es sei nicht einmal erwiesen, ob es die Geräte nicht doch gegeben habe. T. hatte zuletzt gesagt, dass er mit M. "noch ein Hühnchen zu rupfen" habe, wenn das ganze Verfahren abgeschlossen sei.
Mario M. indes, der selbst über 70 Beweisanträge und über 90 Erklärungen abgegeben hatte, hofft nun auf die englische Polizei. Er gehe davon aus, dass der Autoeinbruch in den nächsten Wochen aufgeklärt werde. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft und die Verteidiger kündigten noch am Donnerstag an, das Urteil nicht zu akzeptieren.