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Weniger Inobhutnahmen in Sachsen

Corona wirkt sich auch auf Kinder und Jugendliche aus. In sächsischen Großstädten werden weniger in Obhut genommen. Doch woran liegt das?

Von Thilo Alexe
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© Symbolfoto: Patrick Pleul/dpa

Die Zahl wirkt überraschend. Seit der Schließung von Kitas und Schulen werden den Behörden weniger Kindswohlgefährdungen gemeldet. Drastisch abgesunken sei die Zahl. "Vor dem Shutdown kamen etwa 60 Prozent dieser Meldungen von Schulen, Kitas und aus Kinderarztpraxen", sagte der Vorsitzende des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, vor rund einer Woche der Rheinischen Post. Zurückgegangen sei die soziale Aufmerksamkeit. Ein Grund: Kitas arbeiten nur im Notbetrieb, der Schulunterricht läuft gerade erst wieder an, in der Regel für Abschlussklassen.

Wie ist die Lage in  Sachsen? In Dresden wurden zwischen Mitte März und Mitte April insgesamt 22 Kinder und Jugendliche in Obhut genommen, wie die Stadt auf Anfrage von sächsische.de mitteilte. Das sind deutlich weniger als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Damals waren es 58 Minderjährige. Woran das liegt, ist allerdings unklar. Ebensowenig ist der Stadt zufolge abschätzbar, mittlerweile gelockerte Ausgangsbeschränkungen zu mehr Meldungen von Hilfesuchenden führen. Dass Corona  Einfluss auf das innerfamiliäre Zusammenleben haben kann, schließt das Rathaus aber nicht aus: "Aus der Erfahrung gehen wir davon aus, dass durch veränderte Familiensituationen auch die psychosoziale Belastung von Familien steigt, was sich insgesamt auf das Erziehungsverhalten und den innerfamiliären Umgang mit Konflikten auswirken wird. Dazu liegen aber aktuell noch keine auswertbaren Daten vor."

Einen Vergleich mit anderen Krisensituationen wie etwa dem Elbehochwasser sei nicht möglich, da die aktuelle Pandemie-Lage vollkommen anders bewertet werden müsse. Um den Familien, Kindern und Jugendlichen in der Situation rund um das Corona-Virus zur Seite zu stehen, habe das Dresdner Jugendamt eine Beratungshotline geschaltet. Grundsätzlich gelte, dass eingehende Verdachtsmeldungen auf eine Kindeswohlgefährdung wie bisher zeitnah vom allgemeinen sozialen Dienst des Amtes abgeprüft werden.

In Leipzig gingen zwischen dem 16. März und dem 16. April 78 Meldungen zu Kindeswohlgefährdungen ein. Wie das Rathaus auf Anfrage weiter mitteilte, ist die Zahl im Vergleich zu den Vormonaten "leicht zurückgegangen, aber im Jahresvergleich noch unauffällig". Helfende Institutionen, mit denen der allgemeine Sozialdienst zusammenarbeite, seien derzeit häufig ohne direkten Zugang zu den Familien.

Schulen, Kitas und Horte arbeiteten im Notbetrieb. Das habe Konsequenzen. Die Rathausexperten konstatierten: "Mögliche Gefährdungen können im Moment nicht über diese Systeme wahrgenommen und gemeldet werden, betroffene Kinder und Jugendliche finden in den ihnen vertrauten sozialen Bezügen momentan nur sehr schwer persönliche Ansprechpartner in konflikt- oder gewaltgeprägten Familiensituationen."  

Finanzielle Belastungen etwa durch fehlende Mittagessenversorgung in den Einrichtungen seien eine zusätzliche Belastung der häufig ohnehin auf Sozialleistungen angewiesenen Haushalte. Leipzig teilte mit, dass die Stadt einen Anstieg der Gefährdungen die gestiegene Belastungen der Familien erwartet habe. Aber: "Die erwartete Entwicklung ist bisher nicht eingetreten."

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