Von Andreas Rentsch
Radeberg. „Endlich ist die Orgel wieder in voller Schönheit zu sehen und in vollem Klang zu hören“, sagt Radebergs Pfarrer Martin Beyer. Die Freude über ein vollendetes Projekt ist ihm anzumerken: Es ist Palmsonntag, und Kantor Rainer Fritzsch kann endlich wieder in die Tasten greifen und auf die Pedale treten. Die Königin der Instrumente hat eine mehrmonatige Rekonstruktion hinter sich, musste gereinigt und repariert, aber auch von Schimmel befreit werden.
Auch Orgeln brauchen Bass
Dass sich die Mühen der Orgelbauer aus der thüringischen Stadt Waltershausen gelohnt haben, ist an der Reaktion des Publikums zu spüren, das sich zur einstündigen Matinee am Sonntag auf der Stadtkirchen-Empore eingefunden hat. Nach den sehr unterschiedlichen Stücken, gespielt von Kirchenmusikern, hallt Applaus durch das Gotteshaus. Im Innern des Instruments steht derweil Joachim Stade und erklärt deren Funktionsweise. Die bedeutendste Veränderung haben er und seine Kollegen erst in Angriff genommen, nachdem sie sich ausgiebig mit Sachverständigen beraten hatten: Sie bauten einen so genannten „Principalbass“ ein. Diese 16 Fuß hohen Holzpfeifen erzeugen sehr tiefe Töne, bilden das klangliche Fundament. Daran habe es gefehlt, sagt Johannes Gerdes aus Leipzig. „Dieser Orgel hat man fast beide Beine amputiert.“ Man könne der Bautzener Firma Eule, die 1975 den Principalbass aus dem Instrument entfernt habe, aber keinen Vorwurf machen, so der Orgelsachverständige: „Glitzernde, silbrige, helle Klangfarben, das war damals eben Mode.“ So sei es eben: Selbst etwas derart Zeitloses wie die Kirchenmusik ist dem Zeitgeist unterworfen.
Der Umbau, den Joachim Stade und seine Kollegen für rund 35 000 Euro bis Anfang März bewerkstelligten, beinhaltete außerdem noch den Austausch weiterer Pfeifen: An die Stelle der zwei Fuß hohen Blockflöte tritt jetzt die Acht-Fuß-Gambe. Das klangliche Ergebnis überzeugte auch den Fachmann aus Waltershausen. Stade: „Ich war am Anfang zunächst skeptisch, ob wir so etwas machen sollten.“ Schließlich seien die meisten Orgeln durch nachträgliche Umbauten nicht besser geworden. Doch auch von den Spielern kommen nur lobende Worte. Rainer Fritzsch hatte Musiker-Kollegen gebeten, während der Matinee kurze Stücke zu spielen und ein paar Worte zu sagen. Gekommen waren sein Vorgänger Wolfgang Junghanß und der Kirchenmusikdirektor (KMD) Gottfried Trepte aus Radebeul. Auch der Orgelsachverständige Joachim Gerdes setzt sich an die Tasten.
Pfeifen mit Wein gefüllt
Trepte unterhält die rund drei Dutzend Zuhörer mit Variationen des bekannten „Largo“ aus der Oper „Xerxes“ von Georg Friedrich Händel, erzählt in den Pausen unter anderem von der Verbindung zwischen Wein und Orgel. Was für Erheiterung sorgt: Wer weiß schon von der Tradition, dass früher die größte Orgelpfeife mit Rebensaft gefüllt und dann von den Handwerkern ausgetrunken wurde?
Kantor Fritzsch beschließt die einstündige Matinee mit einem virtuosem, bass-starken Stück von Cesar Franck. Sein Fazit: „Es ist ein großes Glück für einen Kantor, auf so einem frisch renovierten Instrument spielen zu dürfen.“ Mit der Qualität der geleisteten Arbeit sei er sehr zufrieden. Bleiben die Kosten des Projekts: Hier sei nur noch ein Restbetrag aufzubringen, so Pfarrer Beyer. An einem solchen Tagen sollte man aber doch über anderes reden als übers Geld.
Für das erste Konzert auf der alt-neuen Orgel, die eine wechselvolle Geschichte hat (siehe Kasten), hat sich der Radeberger Kantor gestern Abend einer der renommiertesten sächsischen Kirchenmusiker geholt: Markus Leidenberger, der neue Landeskirchenmusikdirektor.