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Interpretation trifft Nerv des Publikums

Konzert. Hans-Peter Struppe debütierte mit Liedern von FranzSchubert im Görlitzer Theater.

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Von Frank Fischer

Voriges Jahr stand Hans-Peter Struppe in der Gunst des Görlitzer Theaterpublikums an erster Stelle. Am Sonntagabend stand er zum ersten Mal für einen Liederabend auf der Theaterbühne im Café des Hauses – auch als Foyer bezeichnet. Hier waren alle Plätze besetzt. Dass der 1965 in Leipzig geborene Bariton mit Franz Schuberts „Winterreise“ in der Neißestadt debütierte, war eine lang gehegte Idee.

„Ich habe mich schon seit meiner Studienzeit mit diesem Liederzyklus nach Gedichten von Wilhelm Müller beschäftigt, weil es musikalisch wie auch textlich starke Emotionen weckt“, bekennt Hans-Peter Struppe. Er habe sich nicht getraut, Schuberts Winterreise schon früher zu singen, bekennt er. Denn er glaubt, dass man ein gewisses Alter haben sollte, um die sehr melancholischen Texte von Furcht, von Ängsten, Abschied und Sterben dem Publikum glaubhaft zu vermitteln.

Für Theaterbesucher mit Winterdepressionen wäre dieser Liederabend sicherlich nicht erbaulich gewesen, weil sich Franz Schubert in 24 Liedern als gebrochener Mensch auf eine musikalische Winterreise begibt. Als er sie 1827 komponierte, hatte er den Tod, die Einsamkeit und das Leid unerfüllter Liebe schon so sehr verinnerlicht, dass er sich in Noten alles von der Seele schreiben musste. Mit schwerem Herzen sei er durch eine erstarrte Winterlandschaft gegangen. Mit einem Chaos von Gefühlen, das zwischen Glück und Unglück, zwischen Festhalten und Fragen nach dem, was hätte sein können, hin und her gerissen wird.

Hans-Peter Struppe fühlt sich von Franz Schuberts Aussage „Ich werde Euch einen Zyklus schauerlicher Lieder vorsingen“ besonders angezogen. Nicht mit Degen oder Pistole, nein mit dieser künstlerischen Waffe wollte sich der Komponist gegen eine Zeit auflehnen, in der Armut und sich missverstanden fühlen auch an seine Tür klopften. „Wenn man diese 24 Lieder am Stück singt, dann sollte man sie auswendig kennen, um sich ganz auf die Sprache, den Ausdruck und den Gesang zu konzentrieren“, findet der Bariton. „Als ich fast 75 Minuten gesungen habe, konnte auch ich etwas von diesem seelisch erstarrten Wanderer in einer erstarrten Winterlandschaft nachempfinden“, gesteht Struppe.

Ein Gefühl, das offenbar sehr überzeugend bei seinen Zuhörern angekommen ist. Sie dankten es dem Sänger mit minutenlangem Beifall. Franz Schubert war bei seiner Premiere der Winterreise nicht so viel Zuspruch vergönnt. Zu hoffnungslos, zu depressiv kritisierte damals sein Publikum.

Am Klavier wurde Hans-Peter Struppe von Michael Schütze begleitet. Ein Pianist, der vor drei Jahren auf Einladung des Boston Symphonie Orchesters beim Tanglewood Festival in den USA konzertierte. Voriges Jahr leitete er an der California State University eine Meisterklasse in Los Angeles. Beide sahen sich in Görlitz zum ersten Mal und verstanden sich nach kurzer Probenzeit auf Anhieb. Das Ergebnis war eine einfühlsam abgestimmte Co-Produktion, die sich sehen und hören lassen konnte.