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"Es ist viel zu früh für weitere Lockerungen"

Zum ersten Mal in der Pandemie gibt die Görlitzer Amtsärztin Annegret Schynol ein Interview. Hier erklärt sie die Lage im Kreis und wie es weitergehen kann.

Von Sebastian Beutler
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Annegret Schynol sucht als Amtsärztin des Landkreises Görlitz nicht das Rampenlicht.
Annegret Schynol sucht als Amtsärztin des Landkreises Görlitz nicht das Rampenlicht. © Nikolai Schmidt

Seit sechs Wochen steht die Görlitzer Amtsärztin Annegret Schynol im Brennpunkt der Corona-Pandemie. Die Behörde ist der zentrale Dreh- und Angelpunkt bei der Eindämmung von Covid-19. Was sie macht, was sie sagt, entscheidet über Tod und Leben. Jetzt stand sie der SZ telefonisch Rede und Antwort.

Frau Schynol, wie hat sich ihr Leben in den vergangenen sechs Wochen verändert?

Beruflich erlebe ich einen ungeheuren Zuwachs an Arbeit, der am Anfang des Jahres nicht abzusehen war. Da sind täglich Herausforderungen zu meistern, die ich zusammen mit den Mitarbeitern des Gesundheitsamtes und des gesamten Landratsamtes angehe.

"Ich verzichte auf Treffen mit Bekannten und Verwandten"

Wie gehen Sie selbst mit den Einschränkungen um?

Die Einschränkungen sind notwendig, um die Infektionen einzudämmen und nicht einen ähnlichen Massenausbruch der Erkrankung wie in Norditalien, Spanien oder im Elsass zu erleben. Für mich ist ganz klar: die Verordnungen gelten, und es ist notwendig, sein Leben anzupassen und eine Zeit lang auf manches zu verzichten.

Auf was verzichten Sie?

Wie viele andere auch auf den Besuch von Veranstaltungen oder ins Kino zu gehen. Und natürlich auch auf Treffen mit Bekannten, Familie, Verwandten.

Viele leiden zunehmend unter diesem verordneten Verzicht. Sie auch?

Leiden tue ich nicht. Es ist eine Notwendigkeit, da fällt es mir nicht so schwer. Und es gibt ja auch andere Möglichkeiten wie die Videotelefonie, um Kontakt zu halten. 

Wann haben Sie geahnt, was da auf Sie zukommt?

Im Februar gab es die ersten Anzeichen dafür, und in unserem Gesundheitsamt trafen die ersten Anfragen zur Winterferienzeit ein. Da war abzusehen, dass in nächster Zeit viel Arbeit auf uns zukommt.

Sie sind noch vergleichsweise jung im Amt. Wie gehen  Sie damit um, auf einmal einen der wichtigsten Posten im Landkreis zu haben?

Sie haben recht, ich bin erst seit Januar Leiterin des Gesundheitsamtes. Aber ich konnte im zweiten Halbjahr 2019 alle Bereiche und die Abläufe des Amtes kennenlernen und arbeite ja auch bereits seit 2015 im Gesundheitsamt. Zudem kann ich auf ein gutes Netzwerk zurückgreifen, um Entscheidungen gemeinsam zu treffen. 

Gesundheitsamt hat jetzt ein Drittel mehr Mitarbeiter

Die Gesundheitsämter sind ein Schlüssel bei der Bekämpfung der Pandemie: Wie war das Görlitzer Amt auf die Herausforderung vorbereitet?

Gesundheitsämter sind immer der Schlüssel bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Neu aber ist der Umfang der Aufgaben. Aber bislang haben wir das zusammen mit dem gesamten Landratsamt gut geschafft, indem wir uns darauf konzentrierten und manch andere Arbeit zurückgestellt wurde, die jetzt nicht dringend ist.

Wie viele Mitarbeiter hatten Sie vor der Pandemie zur Verfügung, wie viele sind es jetzt?

Unser Amt hat 83 Mitarbeiter. Mittlerweile unterstützen uns viele Mitarbeiter aus anderen Fachbereichen innerhalb der Verwaltung, so dass wir jetzt etwa 120 sind.

Sie sollen jetzt auch Teams von fünf Mitarbeitern für 20.000 Einwohner bilden, um künftig die Kontakte von Infizierten noch besser nachzuvollziehen. Sind diese schon bei den 120 dabei?

Ich rechne damit, dass wir weiteres Personal benötigen. Denn mit der Ausweitung der Tests werden wir vermutlich auf mehr positive Fälle stoßen, die wiederum eine höhere Zahl an Kontaktpersonen zur Folge haben. Die Kontaktpersonen-Ermittlung steht im Vordergrund, um Infektionsketten zu unterbrechen. Sonst ist der Indexpatient nicht zu ermitteln. 

Den sogenannten "Patient 0"?

Ja.