Wir sind nicht verheiratet, beide über 60 und waren auf einer Feier. Als ich mir ein zweites Stück Obsttorte holte, sagte mein Partner zu mir: „Iss nicht so viel, Dickerchen“. Meiner Tochter gefiel das überhaupt nicht und sie hat sich dazu geäußert. Nun sagt mein Partner, sie habe eine schlechte Erziehung. Er hat ihre Nummer aus seinem Handy gelöscht und er will auch keinen Kontakt mehr zu ihr. Ich habe ihm gesagt, dass ich das akzeptiere, aber total überzogen finde. Darauf kam, ich solle mir überlegen, zu wem ich halte. Am liebsten wäre es ihm, wenn ich überhaupt keinen engen Kontakt zu meiner Tochter hätte.
Christian Thiel rät:
Zunächst einmal muss ich tief durchatmen, ehe ich Ihnen meine Meinung sage: Was haben Sie da nur für einen unhöflichen Mann kennengelernt! Erst putzt er Sie in aller Öffentlichkeit für ein Stück Kuchen herunter. Dann macht er Ihre Tochter schlecht, die allem Anschein nach das Herz auf dem rechten Fleck hat und den Mut, Ihrem Partner die Meinung zu sagen. Und am Ende ist in seinen Augen natürlich Ihre Tochter die Böse. Und Sie sagen zu ihm, dass Sie sein ungehobeltes Verhalten akzeptieren. Jetzt bin ich sprachlos.
Ich kann Ihnen nur zu Folgendem raten. Erstens: Sie bestehen darauf, dass Ihre Tochter genau richtig lag – und er falsch. Vor allem gegenüber Ihrer Tochter sollten Sie das unbedingt klarstellen, sonst könnte Ihr Verhältnis zu ihr Schaden nehmen.
Zweitens: Sie sagen Ihrem Partner freundlich aber bestimmt, dass Sie so nicht weiter behandelt werden möchten. Nicht in der Öffentlichkeit und nicht unter vier Augen. Er darf, wenn Sie damit einverstanden sind, höfliche Vorschläge machen, wie Sie auf Ihr Gewicht achten können. Vielleicht braucht er selbst ja auch eine Veränderung und Sie können beide einen Plan machen, wie Sie das zusammen schaffen.
Sie dürfen ihm freundlich aber bestimmt sagen, dass Sie so keine Partnerschaft führen möchten. Es geht ja nicht nur um das Stück Kuchen, sondern um grundlegende Regeln der Höflichkeit in einer Beziehung. Ihr Partner darf sich Veränderungen wünschen. Er darf Sie um Veränderungen bitten. Er darf Sie allerdings weder belehren noch beschämen. Und das hat er getan.
Sie selber haben möglicherweise nicht gelernt zu sagen, was Sie stört und womit es Ihnen nicht gut geht. Dann fangen Sie bitte jetzt damit an. Ihre Tochter hat gespürt, dass das nötig ist. Dafür dürfen Sie sie gerne loben. Und es ihr nachmachen.
Am 27. September, 18.30 Uhr, können Sie Single- und Paarberater Christian Thiel beim Leserforum live erleben. „Wie finde ich den richtigen Partner?“ heißt die Veranstaltung mit ihm im Haus der Presse Dresden, Ostra-Allee 20. Karten für 15 Euro, mit SZ-Card 14 Euro in allen SZ-Treffpunkten oder unter www.sz-ticketservice.de