Von Bettina Klemm
Im Freien und doch geschützt sitzen die Gäste unter dem Vorbau vom neuen Postplatz-Gebäude. Das Hotel Motel One ist dort seit einigen Tagen eröffnet, erste Firmen haben das Gebäude daneben bezogen. Auf dem Dach an einem der Häuser steht „Mut zum Aufbruch“.

Die neuen Häuser passen zur Riesenhaltestelle. Nach dem Bau des langen Riegels neben dem Taschenbergpalais und des SAP-Kubus ist nun der nächste große Komplex entstanden. Damit nimmt der Postplatz immer mehr Gestalt an. Das Gebäude ist zumindest ungewöhnlich. Ist es auch von hoher Qualität?
Wie immer in Dresden wird über die Architektur trefflich gestritten, das ist auch am Postplatz so. Grünen-Fraktionsvorsitzender Thomas Löser spricht von einer hohen Bauqualität. Architekt Thomas Knerer habe bei der Fassadengestaltung des neuen Komplexes Schattierungen und Töne des Sandsteins vom Zwinger aufgenommen. Mit der Schrift auf dem Dach reagiere er auf die Bauten aus den 60er-Jahren in der Nähe. Für die Wuchtigkeit des Gesamtbaus könne er nichts, die war vorgegeben. Ganz anders sieht es CDU-Stadtrat Hans-Joachim Brauns. Er hält die Architektur am Postplatz insgesamt für weniger gut gelungen: „Quadratisch, praktisch gut. Ich kann das Wort schlicht in diesem Zusammenhang nicht mehr hören, auch wenn Bauen immer eine Geschmacksfrage ist.“
Gebaut wird auf der Grundlage des Planes von Joachim Schürmann. 1991 hatte der Kölner Stararchitekt den Wettbewerb für die Postplatz-Gestaltung gewonnen. Auf dieser Grundlage wurde acht Jahre später Baurecht geschaffen. An dem halten Dresdens Stadtplaner im Wesentlichen fest. So sollen zu beiden Seiten des neuen Hotelgebäudes sowie entlang der Wallstraße und vor der Altmarkt-Galerie weitere große Häuser entstehen. Über neue Bauten an der Wallstraße verhandelt die Stadt derzeit mit Investoren. Erste Vorstellungen wurden den Stadträten bereits im Bauausschuss präsentiert. Architekt Schürmann hat die strenge Gestaltung durch Wasserflächen entlang der früheren Festungsmauer aufgelockert. Doch ob die Wasserspiele kommen, ist derzeit wieder fraglich.
„Es geht nicht nur um die Gebäude. Der gesamte Postplatz braucht ein Konzept, die rote Brunnenanlage und die Hochbeete können es nicht sein“, kritisiert Thomas Löser. Seine Fraktion will den als Käseglocke bezeichneten kleinen Pavillon unbedingt erhalten. Nach dem Auszug der Dresdner Verkehrsbetriebe steht er ungenutzt. Die Stadt sollte deshalb schnell eine neue Nutzung suchen, egal ob kulturell, gastronomisch oder kreativwirtschaftlich.
Um eine höhere Baukultur in Dresden zu erreichen, sollte sich die Stadt einen Gestaltungsbeirat leisten, schlägt Löser vor. Darin müssten erfahrene Architekten und Stadtplaner sitzen, in der Mehrzahl welche aus anderen großen Städten. Auch die Gesellschaft historischer Neumarkt Dresden könnte vertreten sein. In der vergangenen Woche diskutierten Dresdner Architekten, die sich unter dem Namen „Zeitgenossen“ zusammengeschlossen haben, gemeinsam mit Stadträten über diesen Vorschlag. „Stadträte im Bauausschuss sind zwar sehr engagiert, aber dennoch in der Regel Laien. Sie könnten die Qualitätsfragen delegieren“, sagt Architekt Alexander Pötzsch von den „Zeitgenossen“. Wenn die Stadt auf den Sachverstand der Fachleute vertraut, könnte gerade bei strittigen Bauprojekten mehr Ruhe einziehen. Viele andere Städte wie Frankfurt, Regensburg und Wuppertal haben gute Erfahrungen mit einem Gestaltungsbeirat gemacht. Auch der Bund der Architekten befürwortet dieses Verfahren.
Grünen-Fraktionschef Thomas Löser sieht noch einen anderen Vorteil. Die Stadt hat in der Vergangenheit viel zu oft auf ihre Gestaltungsmöglichkeiten verzichtet. Als Beispiel am Postplatz nennt er die Erweiterung der Altmarkt-Galerie. Das Gebäude passe sich nicht an die Altmarkt-Häuser aus den 50er-Jahren an. „An der Wilsdruffer Straße haben wir eine typische Hinterhofsituation. Das Einkaufszentrum funktioniert nur nach innen. Die Straße, die mal eine der wichtigsten Einkaufsstraßen in Dresden war, ist ziemlich tot“, sagt Löser. In anderen Städten habe der Bauherr ECE tolle Lösungen gefunden, doch darauf hätte die Stadt beharren müssen.
Durch die wachsenden Bevölkerungszahlen wird in Dresden im nächsten Jahrzehnt wahrscheinlich so viel gebaut wie nie zuvor. Das gilt nicht nur für Schulen und Kitas. „Dresden war einmal eine Stadt, die in Sachen Baukultur Maßstäbe gesetzt hat. Daran sollten wir anknüpfen“, fordert Thomas Löser. Kommentar