Von Steven Fischer
In einer alten Buchbinderei ist Barbara Lubich zu Hause. Hohe Decken, weite Räume, Metallstützen mitten im Raum. Umgeben von diesem imposanten Industriecharme lebt die italienische Filmemacherin. Die 36-Jährige ist froh, diesen Platz gefunden zu haben. „Ohne diesen Ort wäre ich bestimmt schon weg“, sagt sie. Mit Performancekünstlern, Lichtdesignern, Musikern, Architekten und Handwerkern lebt sie dort. 2005 hatten sich einige Kunstleute zusammengefunden und das Objekt entdeckt. Die Gemeinschaft ist dann kontinuierlich gewachsen.
„Wir sind aber keine Kommune“, erklärt sie lachend. „Alle haben dort ihren eigenen Bereich.“ Die Gruppe mache auch mal gemeinsame Spieleabende. „Jeder nimmt daraus aber etwas anderes mit. Die einen finden die Gespräche und Ideen toll, die währenddessen entstehen, und die anderen genießen nur das Gemeinschaftsgefühl“, sagt Lubich. Vor allem machen sie gemeinsam Kunst. „Dabei ist Kunst ja kein Produkt, dass irgendwann hergestellt ist. Sie ist immer in Bewegung“, erklärt sie. Aus den gemeinsamen Aktionen hat sich der Verein „Friedrichstadt Zentral“ entwickelt, an dessen Spitze sie als Vorsitzende steht. Seitdem organisieren die Mitglieder Theater, Tanz und Ausstellungen. Bis zu diesem Punkt war es aber ein langer Weg für die Italienerin.
Abschied mit Kunstaktion
„Anfangs war es schon schwer, sich in Deutschland wohlzufühlen“, erzählt die Künstlerin. 1998 kam die Italienerin aus Trento, einer Stadt im italienischen Teil von Südtirol, zum Soziologiestudium nach Dresden. Zwar konnte sie durch den Unterricht in der Schule ein wenig Deutsch. Die Sprache zu sprechen, war aber etwas anderes. Hinzu kam, dass Lubich nur wenige Leute kannte. Durch einen Tanztheaterkurs in der Universität fand sie damals Anschluss. „Ich lernte Leute kennen, musste aber nicht so viel sprechen, weil das gemeinsame Tanzen die Sprache ersetzte“, sagt die Filmemacherin.
Dabei packte sie die Leidenschaft für den Tanz. „Wenn ich tanze, vergesse ich mich selbst“, so Lubich. „Das Tanztraining hat mir sehr geholfen, anzukommen.“ Aber nicht nur dieses Hobby begeistert sie bis heute. 2001 nahm sie von ihrem Vater in Italien eine alte Hi 8-Kamera mit. Sie zog damit durch die Stadt und machte Aufnahmen. Seitdem hat die Filmemacherin eine Leidenschaft mehr im Leben. „Faszinierend ist der Moment, wenn sich die Menschen vor der Kamera öffnen. Dann entsteht etwas. Das ist, was das Filmen ausmacht“, sagt die Künstlerin.
Was sie daraus kreiert, ist vor allem auch für die Dresdener interessant. Lubich hat den Film „Come Together – Dresden und der 13. Februar“ gedreht, der diesen Sonntag in der Johannstadthalle gezeigt wird. In ihm ist zu sehen, wie sich die Menschen mit dem Gedenktag auseinandersetzen. „Erinnern hört ja nicht auf. Es ist, als würde jemand einen Stein ins Wasser werfen und die Wellen enden nie“, sagt die Italienerin. Wie mit diesen Erinnerungen umgegangen wird, hat sie beschäftigt. Von Dresden abgeschreckt hat der 13. Februar die Filmemacherin nicht. Im Gegenteil: Sie ist hier sogar ein wenig heimisch geworden. Gerade deshalb ist es so hart, dass die Gruppe aus der alten Buchbinderei ausziehen muss.
Dazu ist sie gezwungen, denn das Haus wurde an einen Investor verkauft. „Es sollen schicke Lofts entstehen“, sagt Lubich mit sarkastischem Unterton und lacht. Bis Ende Juni müssen sie und ihre Mitarbeiter raus. „Es fällt uns unglaublich schwer. Es stand ja eine Idee dahinter. Wir wollten keine Pseudo-Kunstwelt sein, die sich nur auf sich selbst bezieht. Der Austausch mit dem Umfeld war uns wichtig“, sagt die Filmemacherin. Immerhin kommt zumindest finanzielle Hilfe von der Stadt. Der Förderpreis 2013, der mit 5 000 Euro dotiert ist, wurde an den Verein verliehen. Daher wollen Lubich und ihre Mitstreiter sich mit verschiedenen Kunstaktionen gebührend verabschieden.
Was danach passiert, wissen sie noch nicht genau. „Wir sind an einem neuen Objekt dran. Das liegt aber nicht mehr in Friedrichstadt“, sagt sie. Auf jeden Fall will sie weiterhin mit den anderen zusammen arbeiten und wohnen. Ihre alte Heimat Italien vergisst sie dabei nicht. Zweimal im Jahr fährt Lubich dort hin, ihre Eltern und alte Freunde besuchen. „Die leiden gerade wegen dem Ergebnis der Wahl“, sagt sie schmunzelnd. Sie selbst scheint in Dresden ihren Platz zum Leben gefunden zu haben.
Film „Come Together“ mit anschließendem Gespräch am Sonntag, 11 Uhr, Johannstadthalle, Holbeinstraße 68, Eintritt frei.