Von Jens Ostrowski, Eric Weser und Robert Reuther
Was seine Beamten am Rande der Flutkatastrophe erleben, darüber kann Polizeichef Hermann Braunger nur mit dem Kopf schütteln. Über einhundert Platzverweise musste sein Team in den vergangenen zwei Tagen aussprechen: an Paddler, an Schaulustige und sogar an Elbe-Schwimmer. Ist das Übermut? „Das ist kein Übermut, das ist eine große Dummheit. Die Elbe fließt mit hohen Geschwindigkeiten und Durchflussmengen von über 3 000 Tonnen pro Sekunde. Wer da ins Wasser geht – ob mit oder ohne Boot – hat von Physik nicht viel verstanden.“

Empfindliche Bußgelder
Auch unter den Passanten hatte niemand für dieses Planschen Verständnis. Ein junger Mann nahm sich Mittwochabend das Hochwasser zum Anlass, in den braunen Fluten schwimmen zu gehen. Mitten in Riesa, neben der Hundewiese unterhalb der Bahnhofstraße tauchte er trotz starker Strömung unter dem Kopfschütteln vieler Schaulustiger in die dreckige Brühe ein. Der Aktion wurde allerdings von Polizeibeamten ein abruptes Ende bereitet. Von den Beamten bekam der junge Mann einen Platzverweis. Von der Sächsischen Zeitung auf seinen gefährlichen Badespaß angesprochen, zeigten er sich nur wenig reumütig. „Es ist doch tolles Wetter, warum soll man da nicht baden gehen? Ich wollte einfach ein bisschen Spaß haben“, sagte der Riesaer lachend und zog davon. Dass er sich mit dem Sprung in die Hochwasserfluten in große Gefahr begeben hatte, schien ihm bis zuletzt nicht bewusst zu sein.
Einen gehörigen Schrecken jagte Mittwoch auch ein Mann der Stadtverwaltung und den Rettungskräften der Feuerwehr ein. Er wollte nachschauen, ob er auf der Brücke auf der Leutewitzer Straße seinen Kleingarten in der Anlage am Reiter sehen kann. Er watete durch das Hochwasser und war plötzlich weg. Die Rettungskräfte leiteten eine Suchaktion ein, fanden den Mann aber zunächst nicht. Kurze Zeit später erschien er völlig durchnässt bei den Rettungskräften. Er war in die Jahna gerutscht, konnte sich dann aber doch selbst retten.
Die Polizei warnt die Menschen eindringlichst, sich nicht selbst in Lebensgefahr zu bringen. Das gilt auch für Bootsfahrer. „Auf der gesamten Sächsischen Elbe gibt es ein Verkehrsverbot für die Schifffahrt“, betont Rüdiger Steffen, Chef der Wasserschutzpolizei. Das gelte auch für Kajak, Ruder- oder Motorboote. Das Verbot werde ab einem Pegelstand von fünf Metern – gemessen in Dresden – mit steigender Tendenz ausgerufen. Wer sich widersetze und dennoch den Fluss befahre, müsse mit einer Anzeige und einem empfindlichen Bußgeld, das je nach Gefahrenlage erhoben werde, rechnen. Erst gestern Mittag zog die Riesaer Polizei in Boritz einen 55-jährigen Hirschsteiner aus dem Verkehr, der mit einem Ruder-Schlauchboot „nach dem Rechten“ schauen wollte. „Die Menschen riskieren dabei Kopf und Kragen“, sagte Braunger auch mit Blick auf das Treibgut, das in hoher Geschwindigkeit mit dem Wasser mitgerissen wird. Darunter befinden Baumstämme, Kanister und ganze Kisten. „Wenn die auf ein Boot treffen, ist den Insassen nicht mehr zu helfen“, sagte Braunger. Der verwies darauf, dass Menschen, die sich selbst in Gefahr gebracht haben, damit rechnen müssen, für den Rettungseinsatz selbst zur Kasse gebeten zu werden.
Selbst nicht in die Tasche greifen muss eine ältere Dame, die die Feuerwehr Riesa Mittwochabend aus der abgeschnittenen Ziegeleistraße retten musste. Die Frau hatte sich zusammen mit anderen bei der Evakuierung geweigert, ihr Haus zu verlassen – und war in Insellage geblieben. Letztlich musste sie aber doch gerettet werden, weil sie bei einem Hausunfall von der Leiter stürzte und sich den Arm brach. Mit einem Boot wurde die Frau dann in Sicherheit gebracht und einem Rettungswagen übergeben. „Das war der Frau sichtlich peinlich“, erklärte ein Feuerwehrmann, der mit vor Ort war, der Sächsischen Zeitung.
Spaziergänger auf den Dämmen
Auch Deichläufer bereiten Sorgen. Hermann Braungers Männer und Frauen haben in den letzten Tagen zahlreiche Bürger von den Dämmen auf beiden Elbseiten holen müssen. „Die Dämme sind aufgeweicht und schon in mehreren Orten gebrochen. Wenn in solch einer Situation jemand darauf spaziert, ist alles zu spät“, mahnt er.
Auch Riesas Oberbürgermeisterin Gerti Töpfer (CDU) sorgt sich um das Wohl ihrer Bürger. „Bislang ist noch alles gut ausgegangen.“ Sie warnt aber noch einmal eindringlich vor einem solchen Verhalten. Sie Situationen sind gefährlich, das Hochwasser ist nicht zu unterschätzen.“ Sie appellierte auch an die Bewohner, nicht als Schaulustige aufzutreten, weil dadurch die Rettungskräfte behindert würden. Auf eine Polizeiverordnung, wie sie Dresden eingeführt wurde, wolle sie aber verzichten. Danach kann die Stadt Bußgelder in Höhe von 1 000 Euro für Gaffer aussprechen. „Ich vertraue auf die Vernunft unserer Bürger.“