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Jeden Tag 100 Euro für Drogen

Um seine Sucht zu finanzieren, begeht der Angeklagte Ladendiebstähle in großem Stil. Damit ist es jetzt erstmal vorbei.

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Von Jürgen Müller

Dieser Gerichtstermin ist zum dritten Male angesetzt. Der Angeklagte erschien bisher nicht. Diesmal ist er da. Ein Wunder ist das nicht, schließlich hat der Richter gegen ihn Haftbefehl erlassen. Bewacht von drei Justizangestellten betritt der Dresdner den Gerichtssaal. Wegen mehrfachen Diebstahls muss er sich verantworten.

Er klaut immer wieder hochwertigen Schnaps. Im Kaufland in Meißen steckt er im August vorigen Jahres acht Flaschen Whiskey ein für 148 Euro. Im September sackt er im Kaufland in Coswig fünf Flaschen Whiskey und vier Flaschen Wodka in seinen Rucksack. Gesamtwert: rund 120 Euro. ur einen Tag später sind es im Real-Markt in Heidenau Spirituosen und Cremes für insgesamt 252 Euro. Dass er jedes Mal erwischt wird, schreckt ihn nicht von neuen Taten ab. Und auch nicht, dass er unter Bewährung steht.

Dabei trinkt der Mann gar keinen Alkohol, wie er glaubhaft versichert. Dafür nimmt der 25-Jährige reichlich illegale Drogen, und das schon ziemlich lange. Seit seinem zwölften Lebensjahr konsumiert er Heroin. Durch Freunde aus der Schule sei er dazu gekommen, sagt er. Doch auch andere Drogen wirft er sich ein. „Ich habe fast alles probiert“, sagt er dem Richter. In seinen „besten Zeiten“, nahm er ein bis zwei Gramm Heroin pro Tag. Das geht mächtig ins Geld. 100 Euro benötigt er jeden Tag, um seine Drogensucht zu finanzieren. Deshalb begeht er immer wieder Ladendiebstähle. Beschaffungskriminalität nennt sich das. Den Alkohol verkauft er in Dresden an einen Vietnamesen. Pro Flasche will er fünf Euro bekommen haben, also etwa ein Viertel des Ladenpreises. Ein gutes Geschäft für den vietnamesischen Händler. Um auf 100 Euro zu kommen, müsste der Angeklagte also täglich 20 Flaschen Schnaps stehlen. Damit ist klar: Was hier verhandelt wird, ist nur die Spitze des Eisberges, bei den meisten anderen Taten wurde er offenbar nicht erwischt.

Die Therapie abgebrochen

Eine Entgiftung und Therapie hat der Mann schon hinter sich. Fünf Jahre lang war er nach eigenen Angaben drogenfrei. „Ich weiß, dass es durchaus funktionieren kann“, sagt er. Doch dann funktionierte es eben nicht mehr, er wurde rückfällig. Macht erneut eine Therapie im Heidehof Gohrisch. Und lernt dort eine Frau kennen. Weil Kontakte zwischen den Patienten streng verboten sind, brechen beide die Therapie ab.

Bei den Taten ist zum Teil eine Frau dabei. Ob er sagen wolle, wer das sei, will der Richter wissen. Na ja, er kenne nur den Vornamen, Maria heiße sie, so der Angeklagte. Das ist gleich doppelt gelogen. Denn er kennt den Nachnamen sehr wohl und weiß auch, dass sie einen anderen Vornamen hat. Es ist nämlich seine Lebensgefährtin. Die erwartet jetzt ein Kind, bekommt in den nächsten Tagen eine Tochter. Seit der Schwangerschaft nimmt sie keine Drogen mehr, geht aber mit auf Beutezug. Dass es die Lebensgefährtin ist, hat der Richter durch Zufall erfahren. Die Frau hatte nämlich eine Besuchserlaubnis für das Gefängnis beantragt. Ihr Name auf dem Personalausweis ist identisch mit dem Namen der Mittäterin in der Akte.

Mit den Diebeszügen ist es jetzt erst einmal für längere Zeit vorbei. Das Gericht verurteilt ihn wegen Diebstahls zu einer Haftstrafe von einem Jahr. Weil er Bewährungsbrecher ist, kann die Strafe nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden. Er muss also ins Gefängnis, und das für weit mehr als ein Jahr. Denn die Bewährung für die vorherige Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten wird nun widerrufen. Die muss er also auch noch absitzen. Bei der Geburt seiner Tochter kann der Mann noch dabei sein, der Haftbefehl wurde aufgehoben. Dann wird er seine Tochter allerdings lange Zeit nicht sehen. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.