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Jeder freie Quadratmeter wird beschlagnahmt

Montag, 9. April 1945: Das „Bautzener Tageblatt“ schreibt: „Wir werden alle Selbstversorger! In unserer Lage kommt es darauf an, dass jeder Quadratmeter Muttererde, ja, dass jeder Blumentopf zum Anbauen...

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Von Mathias Hüsni

Montag, 9. April 1945: Das „Bautzener Tageblatt“ schreibt: „Wir werden alle Selbstversorger! In unserer Lage kommt es darauf an, dass jeder Quadratmeter Muttererde, ja, dass jeder Blumentopf zum Anbauen jener Gewächse gebraucht wird, die für unsere Ernährung und die Gesundheit den höchsten Ertrag liefern. Irgendwo kannst du wenigstens ein paar alte Kisten oder sonstige Behälter mit Tomaten bepflanzen und in einem sonnigen Winkel aufstellen.“

Dienstag, 10. April: Die 2. Armee des Polnischen Heeres wird aus dem Raum Breslau/Wroclaw an die Neiße verlegt.

Mittwoch, 11. April: Wegen der Verkehrsprobleme wird das Radfahren auf der Autobahn gestattet. Der Volkssturm Bautzen-West, 3. Kompanie des 3. Bataillons, stellt zum Dienst bei Münckner & Co.

Donnerstag, 12. April: Unter der Überschrift „Das Gesicht des modernen Krieges“ schreibt das „Bautzener Tageblatt“: „Der Krieg im Osten hat eine Form angenommen, wie wir sie weder aus dem Ersten Weltkrieg, noch von anderen Schauplätzen dieses Krieges kennen. Für den Nichtsoldaten ist das eine Feststellung der letzten Monate, die manchen überrascht hat. Uns gegenüber stehen ja keine Armeen, Divisionen und Kompanien im üblichen Sinne. Drüben marschiert die bis an die Zähne bewaffnete, militärisch organisierte Kommune. (…) Dem Nichtsoldaten bietet sich nun ein Kampfbild, das mit seiner Vorstellung von einer Front nicht übereinstimmt. (…) Notwendig ist nur, dass das Vertrauen zur Truppe bleibt. Glaube doch keiner, dass wir Soldaten Adolf Hitlers freiwillig oder gar leichtfertig auch nur einen Quadratzentimeter unserer deutschen Erde aufgeben.“

Die seit dem 10. März vorgenommenen Einschränkungen in der Belieferung mit Gas bestehen weiter.

Freitag, 13. April: SS-Reichsführer Heinrich Himmler erlässt folgenden Befehl: „Der Feind versucht durch Irreführung, deutsche Orte zur Übergabe zu überreden. Jede deutsche Stadt und jedes deutsche Dorf werden mit allen Mitteln verteidigt. Jeder für die Verteidigung eines Ortes verantwortliche deutsche Mann, der gegen diese selbstverständliche nationale Pflicht verstößt, verliert Ehre und Leben.“

Das Oberkommando der Wehrmacht gibt weiter bekannt: „Städte liegen an wichtigen Verkehrsknotenpunkten. Sie müssen daher bis zum äußersten verteidigt und gehalten werden, ohne Rücksicht auf Versprechungen oder Drohungen, die durch Parlamentäre oder feindliche Rundfunksendungen überbracht werden. Für die Befolgung dieses Befehls sind die örtlichen Kampfkommandanten persönlich verantwortlich. Handeln sie dieser soldatischen Pflicht zuwider, so werden sie, wie alle zivilen Amtspersonen, die den Kampfkommandanten von dieser Pflicht abspenstig zu machen versuchen oder gar bei der Erfüllung seiner Aufgaben behindern, zum Tode verurteilt.“

Die Nachrichtenkompanie des Volkssturmes Bautzen trifft sich 19.45 Uhr an der Standarte in der Lessingstraße.

Wegen Schwarzschlachtung eines Schweines wird ein Bauer aus dem Landkreis Bautzen zu einem Jahr Gefängnis und 200 RM Geldstrafe verurteilt. An die Bevölkerung ergeht die Aufforderung, bei der Aufklärung von Feindbewegungen aktiv mitzuwirken.

Die Vermieter Bischofswerdas werden nochmals aufgerufen, dass jeder Untermietswohnraum gemäß der Bekanntmachung vom 20. Januar 1945 vom Bürgermeister zur Unterbringung von Obdachlosen beschlagnahmt worden ist.

Nacht zum Sonnabend, den 14. April: Teile der zweiten Armee des Polnischen Heeres überschreiten im Raum Rothenburg die Neiße und errichten einen Brückenkopf, der sich bis zur Eröffnung der Großoffensive am 16. April hält.

Der Bischofswerdaer Pfarrer Rudolf Heinze schreibt in seinem Bericht „Aus der Geschichte der ev.- lutherischen Kirchgemeinde Bischofswerda“: „Mußte nicht das unschuldig vergossene Blut auf uns zurückkommen? Durften wir noch auf Gottes Gnade, die uns den Sieg gäbe, hoffen? Ich konnte nicht um den Sieg beten. Wenn schon im Krieg so viel gottloses Unheil geschah, was sollte dann erst ein gesicherter Frieden bringen? Ich habe gebetet um die Erhaltung unseres Volkes. Das ist mehr als ein Sieg.“

Der Kreishauptamtsleiter der N.S.V. Uhlmann teilt im „Bautzener Tageblatt“ mit, dass seit dem 18. Januar 1945 980 000 Flüchtlinge aus dem Osten den Bautzener Bahnhof durchquerten.

Sonntag, 15. April: Hitler fordert in einem geheimen Aufruf an die Soldaten der Ostfront, sie mögen „den Bolschewisten ein Blutbad bereiten“.

Quelle: Bautzener Tageblatt

M. Pilop: „Die Befreiung der Lausitz“