Von Thilo Alexe
Filme wie „Das Leben der Anderen“ und „Die Frau vom Checkpoint Charlie“ haben der Aufarbeitung von DDR-Unrecht einen weiteren Schub verliehen. In der Dresdner Außenstelle der Bundesbeauftragten für Stasiunterlagen sind im ablaufenden Jahr 8230 Anträge auf Akteneinsicht eingegangen. Das sind nach Angaben von Außenstellenleiter Konrad Felber zwar weniger als im Ausnahmejahr 2006, als mehr als 11000 Anträge gestellt wurden. Die Zahl liegt aber höher als in den fünf Jahren zuvor, als im Durchschnitt jeweils rund 7500 Anträge auf Akteneinsicht eingingen.
Erschreckendes Ausmaß
Felber führte das ungebrochen hohe Interesse neben dem Informationsangebot der Dresdner Behörde auf die Filme zurück. Vielen Menschen sei erst dadurch klar geworden, wie stark die DDR-Staatssicherheit die Privatsphäre ausgeforscht habe.
Auch 18 Jahre nach der Wende ist das Ausmaß der Stasi-Aktivitäten erschreckend. Zehn Kilometer Akten lagern in den Archivräumen an der Riesaer Straße. Darunter befinden sich rund drei Millionen Karteikarten, die die Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) anfertigten. „Schätzungen haben ergeben, dass etwa jeder zweite der 1,2 Millionen Einwohner des ehemaligen Bezirks Dresden vom MfS erfasst wurde“, heißt es in einer Dokumentation, die Felber am Donnerstag vorstellte.
Hinter der sogenannten Erfassung verbargen sich eine Vielzahl unterschiedlichster Maßnahmen. „Das reichte vom einmaligen Öffnen von Briefen bis zur kompletten Überwachung eines Menschen durch die Stasi“, sagte Felber. Rund 246000 Karteitaschen mit mikroverfilmten Briefen und Nachweisen zu Personenrecherchen des MfS zählen zu den Beständen der Dresdner Außenstelle.
Bislang sind rund 80 Prozent der personenbezogenen Akten erschlossen. 30 der rund 1700 Säcke mit Dokumenten, die Stasi-Mitarbeiter 1989 schredderten, lagern derzeit mit Akten aus anderen ostdeutschen Städten in Hamburg. Sollte es gelingen, das Material im Rahmen eines mit acht Millionen Euro untersetzten Bundesprogrammes zu rekonstruieren, wird weitere Arbeit auf die Dresdner Außenstelle zukommen, wie Archiv-Sachgebietsleiterin Ilona Rau sagte. Ergebnisse werden frühestens im Jahr 2009 erwartet. Unklar ist derzeit aber, ob alle in der DDR geschredderten Akten – so dies technisch möglich sein sollte – rekonstruiert werden. „Das ist eine Geldfrage“, sagte Felber dazu.
Geklärt ist dagegen die mittelfristige Zukunft der Außenstelle der Birthler-Behörde. „Wir haben den Mietvertrag um sechs Jahre verlängert“, betonte Felber. Diese zunächst unscheinbar wirkende Information markiert das Ende eines seit drei Jahren schwelenden Streits.
Das Regionalkonzept der Bundesbeauftragten Marianne Birthler hatte die Zentralisierung der Stasi-Akten vorgesehen. Für Sachsen hätte das bedeutet, dass Akten aus Chemnitz und Dresden in Leipzig gelagert werden – was einer, offiziell allerdings dementierten, Schließung der beiden Außenstellen nahegekommen wäre. „Dieses Konzept ist vom Tisch. Die Akten bleiben in Dresden“, sagte Felber. Ein Sprecher von Kulturstaatsminister Bernd Neumann – zum Geschäftsbereich des CDU-Politikers zählt die Birthler-Behörde – bestätigte das: „Das Regionalkonzept wird nicht weiterverfolgt.“ Es gebe Zweifel an dessen Umsetzbarkeit.
Ungeachtet des großen Interesses an den Hinterlassenschaften der Stasi hat die Dresdner Außenstelle einen Sparkurs eingeschlagen. „Als ich 1998 hier anfing, arbeiteten doppelt so viele Leute wie jetzt hier“, sagte Felber. Derzeit sind es 60 – inklusive des Wachdienstes. Zudem gilt ein Einstellungsstopp, etliche ältere Mitarbeiter drängen auf Altersteilzeit. Die angemietete Fläche wurde um 1500 Quadratmeter verringert.
Anfragen aus Schulen
Auf die Frage, ob weitere Einschnitte bevorstehen, antwortete Felber: „Die Dresdner werden das nicht zu spüren bekommen.“ Die Aktenerschließung sowie die Bearbeitung von Anträgen werde unvermindert fortgesetzt. Maximal zwei Jahre dauert es, bis Antragssteller Akteneinblick erhalten. „Alle Anträge, die vor 2006 gestellt wurden, sind abgearbeitet“, sagte Felber.
Die Mitarbeiter der Außenstelle wollen im kommenden Jahr weiter an Schulen gehen, Beratungen zur Antragsstellung auch außerhalb Dresdens anbieten und Führungen veranstalten. „Wir können nicht jeder Einladung an eine Schule nachkommen“, sagte Felber – die Zahl der Anfragen sei einfach zu hoch.
Kontakt. Riesaer Straße 7, 0351/25080