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Jenseits von Indianerromantik

Radebeul zeigt eine einmalige Ausstellung über indigene Kunst heute – mit Leihgaben aus Zürich, Frankfurt, Stockholm.

Von Nina Schirmer
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Christian Wacker, Leiter des Karl-May-Museums (l.) und Stadtgalerist Alexander Lange kooperieren für eine gemeinsame Ausstellung. Die Kunst thematisiert das Leben der indigenen Bevölkerung in der heutigen amerikanischen Gesellschaft.
Christian Wacker, Leiter des Karl-May-Museums (l.) und Stadtgalerist Alexander Lange kooperieren für eine gemeinsame Ausstellung. Die Kunst thematisiert das Leben der indigenen Bevölkerung in der heutigen amerikanischen Gesellschaft. © Norbert Millauer

Radebeul. Wie sieht der indigene Hulk aus? Ein Muskelpaket mit zwei geflochtenen Zöpfen, wütend über die Schlagzeile in der Zeitung „treaty broken“ – Vertrag gebrochen. So stellt es Steven Paul Judd in einer Pop-Art-Abbildung dar.

 Das Werk ist eines von vielen zeitgenössischen Objekten indigener Künstler, die ab Freitag in der Radebeuler Stadtgalerie zu sehen sind. „Indianer Art“ heißt die Ausstellung, die die Lebensumstände, Nöte aber auch Chancen der indigenen Bevölkerung Nordamerikas heute thematisiert.

„Wir wollen zeigen, was in der indianischen Kunst heutzutage passiert“, sagt Galerieleiter Alexander Lange. Viele Leute seien bis heute vom Bild der Indianer im 19. Jahrhundert geprägt. Romantik vor dem Tipi.

 Und indigene Kunst mit Perlenstickereien, bemalter Keramik, Totems und Federhauben. „Dieses Bild wollen wir versuchen, aufzubrechen“, so Lange. Die Stadtgalerie kooperiert dafür erneut mit dem Karl-May-Museum.

„Man erfährt sehr viel über die indianische Kultur mit Objekten, die nicht üblich sind“, sagt Museumsleiter Christian Wacker. 573 Stämme sind inzwischen als First Nations anerkannt. Der Großteil von ihnen lebt unter schlechten Bedingungen in den Reservaten. Diskriminierung stellt noch immer ein großes Problem dar, vor allem im ländlichen Raum.

Die zeitgenössische indigene Kunst setzt sich intensiv mit diesen Problemen auseinander. „Die Kunstszene hat sich wieder verstärkt etabliert“, sagt Wacker. Die aktuelle Situation der Indianer in der amerikanischen Gesellschaft wird thematisiert. 

Aber auch die Frage, wie Traditionen in einem städtischen Kontext bewahrt werden können. Die Künstler stammen zumeist aus urbanem Umfeld und ordnen ihre Themen als „Stadtindianer“ in die moderne Realität ein, erklärt Wacker. 

In der Ausstellung in der Stadtgalerie werden neben Gemälden, Grafiken, Drucken und Fotokunst auch Skulpturen, Videokunst und digitale Ausdrucksgestaltung präsentiert.

Eines der Ausstellungsstücke, ist ein Flechtkorb der Künstlerin Shan Goshorn. Sie hat ihn auf traditionelle Weise hergestellt, so wie sie es noch von ihrer Großmutter lernte. Allerdings mit modernen Materialien. Die Außenseite des Korbs zeigt eine historische Fotografie indigener Mädchen eines Internats in Kalifornien beim Wäschemachen. 

Das Motto dieser Schule lautete „Kill the Indian, Save the Man“. Ab den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts wurden Kinder von Indianern gezwungen, Internate weit weg von ihren Familien zu besuchen. Dort durften sie ihre traditionelle Kleidung nicht tragen, ihre Sprache nicht sprechen und erhielten christlichen Unterricht, erklärt Wacker. 

Das Kunstwerk, in dem auch 12 000 Namen und Stammeszugehörigkeiten ehemaliger Schüler verflochten sind , soll an die brutal erzwungene Assimilierung der Indianer und an die psychischen Grausamkeiten, die damit einhergingen, erinnern.

Goshorn möchte mit ihrer Kunst einen Beitrag zur Aufklärung über stereotype Wahrnehmung indigener Geschichte und Gegenwart liefern und behandelt neben den Internatsschulen auch Themen wie Umsiedlung, Vertragsbrüche oder den kommerziellen Missbrauch indigener Kultur in der Sport- und Unterhaltungsindustrie. 

Sie ist eine von insgesamt 15 Künstlerinnen und Künstlern, deren Werke in der Ausstellung zu sehen sind. Ein Großteil der gezeigten Objekte sind in den letzten 15 Jahren entstanden“, sagt Wacker. „Es wird die Kunst des Hier und Heute gezeigt.“

Ein Teil der Werke kommt aus dem Bestand des Karl-May-Museums, außerdem sind Leihgaben aus dem Nordamerika Native Museum Zürich zu sehen. Ein Indianerspezialist aus Stockholm und ein Indianistikprofessor aus Frankfurt stellen für die Ausstellung ebenfalls Kunstwerke zur Verfügung.

Die Ausstellung „IndianerArt“ wird am 10. Mai um 19.30 Uhr in der Stadtgalerie eröffnet. Zur Vernissage spielt Saxofonist Dietmar Diesner. Die Schau ist bis zum 23. Juni zu sehen. Am 12., 19., 26. Mai und 9. Juni finden jeweils um 14 Uhr Führungen statt. Außerdem wird es am 29. Mai um 15 Uhr eine Diskussionsrunde geben, bei der auch indigene Künstler anwesend sind.