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„Jetzt wagen wir uns an die großen Brocken“

Christian Flörke ist seit einem Jahr Chef der Stadtentwicklungsgesellschaft. Er erklärt, was Pirna noch fehlt.

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Herr Flörke, Pirna hat eine sanierte Altstadt, funktionierende Gewerbegebiete und einen stabilen Grundstücksmarkt. Wozu braucht die Stadt eigentlich noch eine Stadtentwicklungsgesellschaft?

Die Region zwischen Meißen und Pirna entwickelt sich sehr positiv. Vor diesem Hintergrund kommt der Stadtentwicklungsgesellschaft Pirna eine wichtige Aufgaben zu: Sie wird ein zentraler Baustein zur Umsetzung 40 000-Einwohner-Strategie Pirnas sein. Indem wir Wohnbaugrundstücke anbieten, versuchen wir, der derzeit sehr großen Nachfrage zu entsprechen. Neben dem Einfamilienhausbereich wird sich die SEP zukünftig auch stärker um die Sanierung und Entwicklung von Gebäuden kümmern, die sich im Bestand der Stadt befinden.

Da gibt es ja tatsächlich einige Problemfälle…

Ja, es sind vor allem die in den letzten Jahren übrig gebliebenen großen Brocken wie das alte Krankenhaus und das Areal der Tannensäle. Diese Gebäude sind stadtbildprägend, stehen sehr in der öffentlichen Diskussion und sind aufgrund ihrer Größe nur sehr schwer zu entwickeln – und genau deshalb im Fokus der SEP. Genauso übrigens auch vergleichbare private Gebäude wie der Schwarze Adler oder die Hengstfabrik. Hier müssen wir Vermittler sein und in Zukunft auch mit privaten Akteuren zusammenarbeiten.

Pirna hat noch zahlreiche leer stehende Häuser und Wohnungen, Warum erschließt man immer mehr Wohngebiete, wie etwa das an der Vogelwiese, statt erst einmal den Bestand zu beleben?

Diese Diskussion halte ich aus mehreren Gründen für müßig. Zunächst mal schließt das eine das andere überhaupt nicht aus – Neubauten und Sanierungen erfolgen derzeit parallel an vielen Stellen der Stadt. Auch die Nachfrage im Bereich der Mietwohnungen steigt an. Zudem hat Pirna einen enormen Nachholbedarf im Bereich des kleinteiligen Wohnungsbaus und bei der Erhöhung der Eigentumsquote, das heißt bei Reihen-, Doppel- und Einzelhäusern sowie im Bereich der Eigentumswohnungen in kleinen Mehrfamilienhäusern. Historisch bedingt leben in Pirna etwa 80 Prozent der Menschen zur Miete. Bundesweit liegen wir damit weit über dem Durchschnitt. Diese Tatsache und die existierende Nachfrage im kleinteiligen Eigentumsbereich rechtfertigt die Neuerschließung von neuen Wohnbauflächen ohne Wenn und Aber. Der kleine Personenkreis, der seit einigen Jahren etwas anderes behauptet, ignoriert die realen Wohnwünsche der Menschen. Folgte man solch einer Strategie, würde das die langfristige Sicherung unserer Einkommens- und Lebensgrundlage verhindern.

Im Fall der Vogelwiese gibt es auch Kritik daran, wie man sie nun vermarktet. Anfangs waren die Ansprüche, etwa bei Ökologie oder Energieeffizienz, höher. Warum ist man davon abgerückt?

Weder die Stadt noch die SEP ist grundsätzlich von den im Architekturwettbewerb von 2013 formulierten Ansprüchen abgerückt. Hintergrund für diese Wahrnehmung kann sein, dass im Laufe der Bearbeitung des Bebauungsplanes die Energieeinsparverordnung so verschärft worden ist, dass die sehr weitgehende Energieeffizienz der Gebäude auch ohne die Festsetzungen im Bebauungsplan gesichert werden kann. Alle anderen Prinzipien wie die Ausrichtung der Gebäude zur Sonne, die Festlegung von Fotovoltaik, die Pflanzfestlegungen für die privaten und die öffentlichen Flächen, eine geringe Versiegelung durch Beschränkung der bebaubaren Fläche oder auch die Maßnahmen für den Artenschutz sind auf der Vogelwiese vorbildlich. Im Bebauungsplan ist darüber hinaus eine hohe gestalterische Qualität und Einheitlichkeit der Baustile festgeschrieben. Die Bauherren sind darüber sehr erfreut und danken uns für diese klaren Regelungen – innerhalb derer trotzdem jeder etwas nach seinem Geschmack finden kann. In meiner Amtszeit war der Bebauungsplan Vogelwiese in jeder Hinsicht das intensivste Verfahren überhaupt. Ich bin mir sicher, dass wir in drei Jahren stolz auf das Ergebnis sein werden.

Ist es eigentlich schwer, Pirna zu vermarkten?

Grundsätzlich ist es das überhaupt nicht. Wir haben so viele topographische, historische und emotionale Alleinstellungsmerkmale, dass wir eher schauen müssen, auf was wir uns konzentrieren. Durch den vor etwa drei Jahren gestarteten Stadtmarketingprozess ist bereits sehr viel – auch überregional – erreicht worden.

Wie wird die Stadt außerhalb ihrer Grenzen wahrgenommen?

Jeder, der erst einmal nach Pirna geholt werden konnte, ist von unserer Stadt begeistert. Aber die Werbeskala bleibt nach oben offen! Es dauert eben doch lange, bis die Dresdner bemerkt haben, was sich bei uns getan hat. Auch mir ging das zehn Jahre lang, als ich bis 2011 in Dresden gewohnt habe, nicht viel anders. Zu zeigen, wie attraktiv Pirna ist, daran gilt es immer weiter zu arbeiten.

Wo könnte die Politik noch nachhelfen oder etwas besser machen?

Die regionalen Tourismusverbände in Dresden und in der Sächsischen Schweiz tun bereits viel. Auch die Stadt und die Unternehmen der kommunalen Holding werben in Printmedien, online und auf Veranstaltungen. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir noch mehr Finanz- und Personalressourcen für diesen Bereich wünschen. Insgesamt aber sind wir schon vergleichsweise gut aufgestellt.

Sie sind jetzt seit gut einem Jahr Chef der SEP. Wie sieht Ihr persönlicher Rückblick aus?

Mit der SEP habe ich eine tolle Gesellschaft mit sehr wichtigen Aufgaben für die Stadtentwicklung vorgefunden. Alle Zeichen stehen derzeit auf Wachstum und Entwicklung. Diese Trends gilt es aufzunehmen und in konkrete Vorhaben umzusetzen. Ich will dabei an Bewährtem festhalten, Teilbereiche aber neu ausrichten. Die Gesellschaft konnte inzwischen auch im Bereich Stadtmarketing sehr viele Projekte umsetzen und erfährt eine hervorragende Außenwahrnehmung. Für mich persönlich ist der Umstieg nach sechs Jahren als Baubürgermeister somit leicht gefallen, die Chance zur Weiterentwicklung der Gesellschaft ergreife ich gern.

Gefällt Ihnen die Stelle als Chef der Stadtentwicklung besser als der Baubürgermeister-Posten?

Beides sind tolle Herausforderungen. Bei der SEP komme ich auf mein Stadtplanungsstudium und meine frühere Tätigkeit bei der STEG Stadtentwicklung GmbH in Dresden zurück. Die Orts- und Personenkenntnis hat bei diesem Übergang sehr geholfen. Meine Familie freut sich, dass der Ehemann und Papa etwas weniger Abend- und Wochenendtermine hat. Das kleine Team von sieben Mitarbeitern sowie die weniger starke Einbindung in Politik und Öffentlichkeit sorgen ebenfalls dafür, dass ich voll in der SEP angekommen bin.

Das Gespräch führte Alexander Müller