Von Nadja Laske
Freitagabend bleiben Valentina und ihre Lieben unter sich. Sie feiern den siebenten Tag, wenn andere erst bis fünf gezählt haben. Schabbat gehört der Familie, der Ruhetag der Juden. „Da machen wir auch keine Ausnahmen“, sagt Valentina Marcenaro. Weder Kinobesuche noch Einladungen zu Freunden können wichtiger sein. Zeit füreinander und schönes Essen, so klingt die Woche innig aus.
„Jüdisch zu sein, bedeutet für mich nicht nur Religion, sondern vor allem Kulturkreis“, sagt die 39-Jährige. Sie ist die neue Leiterin der Jüdischen Musik- und Theaterwoche, ein Festival mit vollem Programm aus Literatur, Filmen, Konzerten, Ausstellungen, Vorträgen und Kochkunst. Selbst Schnupperkurse in Hebräisch finden die Gäste darin. Ein Besuch im winzigen Büro der gebürtigen Italienerin beginnt mit einem Kaffee, in dem der Löffel steht. Der Lärm der Bautzner Straße verliert sich schon im Treppenhaus. Schön logiert das vierköpfige Festivalteam nicht. Dafür zentral. Valentinas Weg führte sie zunächst weg aus Mailand, wo sie geboren wurde, hin zum Gardasee, an dem sie aufwuchs. „Mir war immer klar, dass wir jüdisch sind“, sagt sie, doch in ihrer Erziehung habe das keine Rolle gespielt. Auf den Stationen ihres Lebens muss Valentinas Mutter, die in Ägypten zur Welt gekommen war, wohl das Zelebrieren ihrer Religion abhandengekommen sein. „Mich mit dem Glauben zu beschäftigen, habe ich erst während meines Studiums begonnen“, sagt die Festival-Chefin. Sie studierte in Trento englische und deutsche Literaturwissenschaft, verbrachte einige Monate in Irland und New York und flog nach ihrem Diplom nach Dresden. „Die Stadt sagte mir damals noch gar nichts, aber eine Freundin von mir lebte hier, und ich wollte mein Deutsch verbessern.“ Ein halbes Jahr plante sie zu bleiben, gab Kurse an der Volkshochschule, schlug sich mit Übersetzer-Jobs durch, dolmetschte und führte italienische Touristen durch die Stadt. „Es war ganz schön hart“, sagt sie.
Aus sechs Monaten sind 13 Jahre geworden. Anfang 2000 lernte Valentina ihren heutigen Mann kennen. Nachdem die beiden eine Weile zusammen waren, hat sich der Atheist für das Judentum entschieden. „Dafür musste er richtige Prüfungen ablegen. Inzwischen ist er viel mehr Experte in Glaubensfragen, als ich es je war“, sagt Valentina. Gerade hat die Familie das Purim-Fest gefeiert. Das begehen sie mit einem großen Ball in der Jüdischen Gemeinde. „Am liebsten haben meine Kinder das Fest Chanukka, da gibt es acht Tage lang Geschenke“, sagt Valentina und lacht. Dazu zählen aber auch eher kleinere Gaben.
Feiern will sie im Oktober auch mit ihren Festivalgästen. Noch bleibt reichlich Zeit, um Künstler und Referenten einzuladen. Den Fokus der Festwoche wird Valentina Marcenaro auf die zeitgenössische jüdische Kultur in Polen und Tschechien richten. Das sei nicht ganz leicht, merke sie immer wieder, denn bis heute spüre man die Lücken, die die Judenvernichtung in der Kultur gerissen hat. „Eine relativ junge und sehr spannende Diskussion beginnt gerade in Polen“, sagt Valentina, „die um die Mitschuld der Polen im Zweiten Weltkrieg.“ Außerdem will die Kulturmanagerin der israelischen Kunst einen eigenen Platz im Festival geben. Das Erinnern ist Valentina Marcenaro wichtig, „doch der heutige Reichtum der jüdischen Kultur darf darüber nicht in den Hintergrund geraten“. Sie soll Spaß machen und mitreißen. Selten habe sie ein solch leichtes Herz gespürt, gestand ihr einmal eine ältere Dame nach einer Veranstaltung. „Das war das schönste Kompliment für meine Arbeit.“
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