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Jüdisches Museum für Dresden? Zweifel erlaubt

Die Dresdner Grünen favorisieren die Idee eines jüdischen Museums in der Leipziger Vorstadt. Warum es daran Zweifel gibt. Ein Gastbeitrag.

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Künftig Herberge eines jüdischen Museums? Gelände des Alten Leipziger Bahnhofs
Künftig Herberge eines jüdischen Museums? Gelände des Alten Leipziger Bahnhofs © René Meinig

Von Herbert Lappe

Ein eigenständiges Jüdisches Museum für Dresden? Darüber berichtete die SZ am 29. Januar und 23. April. Genauer ging es um Aktivitäten für ein solches Museum im Alten Leipziger Bahnhof. Das erscheint auf den ersten Blick begründet. Juden waren in der jüngeren Geschichte Dresdens und Sachsens bedeutsam als Geldbeschaffer zur Finanzierung der polnischen Krone August des Starken, als Industrielle, als Mäzene für die Oper und die Museen. Und es ist wichtig, an die Dresdner Opfer im Holocaust zu erinnern. Alles Gründe, mehr für eine lebendige Geschichtsbetrachtung und gegen das Vergessen zu tun. Und doch sind Zweifel erlaubt. Zweifel, ob ein eigenes Museum dafür geeignet ist. Zudem dürfte der Alte Leipziger Bahnhof der falsche Ort dafür sein. Nicht nur, weil er Ausgangspunkt zur „Endlösung“ war. Dieser Umstand sollte stärker ins Bewusstsein gerückt werden – über die bisherige Gedenktafel am Neustädter Bahnhof hinaus. Vor allem aber sollte Schwerpunkt eines solchen Museums das Leben von Juden als Teil der Gesellschaft sein. Das Leben vor, nach dem Holocaust und bis in die Gegenwart. Der Alte Leipziger Bahnhof würde den Blick unvermeidlich auf die Assoziation „Juden und Massenmord“ richten und somit einengen.

Ein eigenständiges Museum bedient Judenfeinde

Wie soziologische Untersuchungen zeigen, betrachtet ein nicht unerheblicher Teil der nichtjüdischen Deutschen noch immer die hier lebenden Juden als nicht zu Deutschland gehörend. Das ist das Grundargument aller Antisemiten: Juden sind keine Deutsche, sie sind Fremde. Dazu der international anerkannte jüdische Historiker Moshe Zimmermann: Es sei eine weit verbreitete Regel, die allgemeine Geschichte bei der Betrachtung der jüdischen Geschichte auszublenden und sich auf eine angeblich autonome jüdische Geschichte zu konzentrieren, wie dies „letztlich ja dem Geist der nationalsozialistischen Auffassung entspricht.“ Die Tendenz, nicht nur Juden, sondern die jüdische Geschichte insgesamt zu ghettoisieren, müsse endlich überwunden werden.Ein Museum sollte vermitteln, dass Juden auch in Sachsen Teil der Gesellschaft waren. Dass sie nicht als Juden handelten, sondern als Proletarier, Bankiers, Kunstliebhaber, Politiker – nicht anders als Christen oder Atheisten. „Religion ist Privatsache“, dieser Fortschritt, angestoßen von der Aufklärung, muss auch für die Darstellung von Juden in einem Museum gelten.

Geschichte der Juden sollte Teil der Stadtgeschichte sein

Juden wollten spätestens seit etwa 1800 in aller Regel ganz gewöhnliche Deutsche sein. Dies wäre zu zeigen. Und eben nicht, was Antisemiten uns Juden vorwerfen, eine eigenständige Gruppe, deren Heimatland angeblich Israel ist.Das kann am besten innerhalb eines Museums für die Geschichte der Stadt Dresden, gern auch für die Geschichte Sachsens gelingen: durch die Darstellung der Geschichte der Juden, eingebettet in die allgemeine Geschichte.Wobei der Schwerpunkt nicht auf den Besonderheiten der Geschichte der Juden liegen sollte. Vielmehr geht es um die Wechselwirkung, das Gegen- und Miteinander von jüdischen und nichtjüdischen Bürgern.

Jüdische Geschichte in der Nähe des Hygiene-Museums?

Warum sollte es nicht möglich sein, in einem ersten Schritt in den Räumen der Jüdischen Gemeinde eine Ausstellung unter der Regie der Jüdischen Gemeinde zu erarbeiten? Dort könnten vorhandene Dokumente, Judaica, Erinnerungsstücke aller Art gezeigt werden. Allein schon der Ort würde den Schwerpunkt auf das lebendige Judentum legen. In einem weitergehenden Schritt könnte eine Ausstellung der Geschichte der Juden unter Regie des Stadtmuseums entstehen. Sie müsste naturgemäß die Wechselbeziehungen zwischen Juden und Mehrheitsgesellschaft zeigen. Als passender Ort bietet sich aus unserer Sicht das wieder aufzubauende Palais Oppenheim in der Nähe des Hygiene-Museums an. Das Palais war, so Lucas Müller, Vorsitzender des Gottfried Semper-Clubs Dresden, „ein Zentrum jüdischer Kultur und deren Vermittlung in Dresden“.

Der Autor ist das älteste aktive Mitglied der Dresdner Jüdischen Gemeinde. Er war u.a. viele Jahre Mitglied des Vorstandes und der Repräsentanz sowie mehrere Jahre Vertreter der Jüdischen Gemeinden Sachsens im Beirat der „Stiftung Sächsische Gedenkstätten“.

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