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Jugendliche länger kriminell

Polizei und Richter im Elbland haben es immer öfter mit jungen Erwachsenden zu tun. Das ist ungewöhnlich.

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Von Claudia Parton

Die Jugendgerichtshilfen im Elbland betreuen immer öfter bereits volljährige Straftäter. Im vergangenen Jahr bekamen die Mitarbeiter die Akten von 670 Jugendlichen auf den Tisch. Außerdem kümmerten sie sich um 655 Heranwachsende zwischen dem 18. und dem 21. Geburtstag. Der Unterschied macht demnach gerade noch zwei Prozent aus.

Der Anteil der Heranwachsenden müsste aber deutlich unter dem der Jugendlichen liegen. Forscher gehen davon aus, dass sich die meisten kriminellen Karrieren mit zunehmender Reife von selber erledigen. Bei etwa drei von vier Fällen sei das zu beobachten, sagt Christian Avenarius, Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden. Der Höhepunkt der Jugendkriminalität liegt bei etwa 17 Jahren. „In der Regel verläuft sich das bis zum 21. Geburtstag vollständig“, beobachtet auch Uta Kofahl von der Jugendgerichtshilfe im Landkreis Meißen.

Nun scheint sich dieser Zeitraum aber verlängert zu haben. Nach Angaben des statistischen Landesamtes liegen beide Altersgruppen durch den Geburtenknick und die Abwanderung mittlerweile fast gleichauf. 2006 gab es im Elbland 10159 Jugendliche und 10368 Heranwachsende. Der Unterschied beträgt zwei Prozent – so viel, wie in der Statistik der Jugendgerichtshilfen auch.

Die Kriminalität bei den Heranwachsenden sinkt also offenbar wider Erwarten nicht. Uta Kofahl hat beobachtet, dass die Jugend immer später reif wird. Ihre Ausbildung koste mehr Zeit, sie nabelten sich später vom Elternhaus ab. Die Fachfrau hält das für einen möglichen Grund, warum kriminelle Karrieren länger dauern können. „Ich befürworte, dass die Richter bei den Heranwachsenden in der Regel das Jugendstrafrecht anwenden.“

Eine Rolle spielen könnte aber auch der Frauenmangel. Jugendkriminalität ist zum größten Teil ein männliches Phänomen. Meist sei es beendet, wenn junge Straftäter sich binden, sagte der Kriminologe Christian Pfeiffer aus Hannover. „Da gibt es auf einmal eine Freundin, die es stört, wenn ihr Partner mit seiner Clique um die Häuser zieht. Das löst ihn aus der bisherigen Umgebung.“

Nur gibt es bei den Heranwachsenden im Elbland der Abwanderung wegen zwölf Prozent mehr Männer als Frauen. Im Landkreis Riesa-Großenhain beträgt der Unterschied sogar 16 Prozent. Vom Jahrgang 1986 ist dort zwischen dem 16. und dem 20. Geburtstag jede fünfte Frau, aber nur jeder zehnte Mann gegangen. Der Einfluss der Freundin auf kriminelle Jugendliche fehlt also. Bewiesen ist der Zusammenhang bisher nicht. Pfeiffer hält ihn aber für so wahrscheinlich, dass er ihn derzeit untersucht.