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Jung und engagiert

Die Jugend wird wieder politischer, heißt es in letzter Zeit immer häufiger. Auch in Bautzen?

Von Theresa Hellwig
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Politik ist nur etwas für Alte? Von wegen! Diese drei jungen Männer wollen sich engagieren.
Politik ist nur etwas für Alte? Von wegen! Diese drei jungen Männer wollen sich engagieren. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Als er in den Nachrichten die Bilder von toten Menschen im Mittelmeer sah, war das ein Schlüsselmoment für Bruno Rössel. Als er die Geschichte von einer völlig verarmten Familie in Griechenland hörte, die von einer einzigen, kleinen Rente lebte, war das ein zweiter. Weil diese Nachrichten in dem damaligen Teenager etwas bewegt haben, sitzt der heute 20-Jährige auf einem roten Stuhl im Büro der Linken in Bautzen und erzählt, was er alles bewirken möchte, falls er in den Kreistag gewählt wird. 

Er malt aus, was er ändern würde, vor allem im Ausländeramt. Da bekommt er viel mit, durch sein Engagement für Geflüchtete. Er erzählt, wie er ein Jugendparlament einrichten möchte und sagt, dass es Zeit wird, dass abends endlich mehr Busse auf die Dörfer fahren müssen, sofern man möchte, dass junge Menschen den ländlichen Raum attraktiv finden.

Seit 2015 ist Bruno Rössel, 20, bei den Linken. Er ist bekannt für sein Engagement für Geflüchtete.
Seit 2015 ist Bruno Rössel, 20, bei den Linken. Er ist bekannt für sein Engagement für Geflüchtete. © Foto: SZ/Uwe Soeder

Bruno Rössel ist so einer, auf den genau das passt, was immer häufiger zu hören ist: Die Jugend ist nicht so unpolitisch, wie es eine Zeit lang immer hieß. Sie ist nicht pauschal desinteressiert und ideenlos. Oder unengagiert. Und der Student, der bei der anstehenden Wahl als Kreisrat kandidiert, ist nicht der einzige politisch engagierte junge Mensch im Kreis. Vier neue Mitglieder bis 25 Jahre haben in den vergangenen zwölf Monaten ihren Weg in den Kreisverband der Linken gefunden. 

Ähnlich sieht es in anderen Parteien aus. Neun neue Mitglieder unter 25 Jahren haben sich beispielsweise dem SPD-Kreisverband im vergangenen Jahr angeschlossen, der jüngste Kandidat der Partei bei der Kreistagswahl ist der 24 Jährige Andy Ziller. Auch dem CDU-Kreisverband sind junge Mitglieder beigetreten: Neun sind zwischen 16 und 30 Jahre alt. Und in den FDP-Kreisverband haben in den letzten drei Jahren zehn Mitglieder in diesem Alter ihren Weg gefunden. 

Die Wirtschaft hat die besten Lösungen parat, findet Felix Wiener – und tritt bei der Kreistagswahl für die FDP an.
Die Wirtschaft hat die besten Lösungen parat, findet Felix Wiener – und tritt bei der Kreistagswahl für die FDP an. © Foto: SZ/Uwe Soeder

Einer von ihnen, der 18-jährige Felix Wiener aus Radibor, tritt bei der Kreistagswahl an „Ich möchte Agrarwissenschaften studieren“, sagt der Abiturient des sorbischen Gymnasiums. Schon als Kind hatte er diesen Wunsch; im Teenager-Alter dann fiel ihm auf, dass da einiges anders läuft, als er sich das vorstellt. Oder zumindest Debatten eine andere Richtung einschlagen, als er für sinnvoll erachtet. Vor Kurzem machte er in den Ferien ein freiwilliges Praktikum als Erntehelfer und wurde in seinen Ansichten noch einmal bestärkt. Pestizide, sagt er, sind auf die Dauer vielleicht nicht gut – aber wenn man sie ganz verbietet, dann, so sieht er es, ist das auch nicht richtig. 

„Es muss dann eine vernünftige Alternative geboten werden“, findet er. Wenn das nicht zuerst durchdacht wird, so sorgt er sich, „sieht es auf den Feldern aber ganz anders aus. Vor allem werden viele Pflanzen durch halbherziges Spritzen resistent“. Außerdem: „Ganz auf konventionelle Landwirtschaft verzichten können wir nicht.“ Trotzdem sorgt sich Felix Wiener um das Klima, findet, dass es eine Obergrenze für Kohlenstoffdioxidausstöße geben muss. Firmen sollten sich quasi freikaufen müssen, dann würde das schon ganz alleine funktionieren. „Die Wirtschaft kennt die Lösung“, ist er überzeugt. Unter anderem deshalb hat sich der Abiturient damals für die FDP entschieden. Aber auch, weil er das Gefühl hatte, dass er sich dort am freiesten äußern kann.

Junge Menschen werden belächelt

Auch Franziska Kunze hat vor allem der Gedanke an die Wirtschaft auf die Kandidatenliste für den Kreistag – und den Gemeinderat Königswartha – geführt. Die 24-Jährige kandidiert für die CDU und möchte einen Unternehmerstammtisch einführen. „Viele haben sich Anfang der 90er-Jahre selbstständig gemacht“, sagt sie, „und konnten nicht genug private Vorsorge betreiben“. Deshalb möchte sie Politiker und Unternehmen an einen Tisch holen und unter anderem darüber reden, die Sorge der Betroffenen abfangen. „Oft werden wir von jungen Menschen überhört“, sagt sie, „oder belächelt“. Dabei heißt jung sein doch nicht, keine guten Ideen zu haben.

Jonas Löschau demonstriert mit bei Fridays for Future und kandidiert für die Kreistags-Grünen.
Jonas Löschau demonstriert mit bei Fridays for Future und kandidiert für die Kreistags-Grünen. © Foto: SZ/Uwe Soeder

Auch bei den Grünen gab es vier neue Mitglieder bis 25 Jahre, sechs junge Mitglieder aus der Partei treten bei den kommenden Wahlen an. Einer von ihnen ist der 19-jährige Jonas Löschau. Wenn der Bautzener redet, klingt er sehr erwachsen, sagt Dinge, wie „das Eintreten für eine demokratische Gesellschaft ist wichtig“ oder „ich möchte selbstreflektiert in das Amt gehen“. Aber als es um das Klima geht, bricht es auch aus ihm jugendlich heraus: „Das war meine erste Demo und ich war begeistert“, sagt er und spricht über Fridays for Future, gegen den Klimawandel. 

„Ich habe endlich mal gespürt, was es bedeutet, für seine Meinung auf die Straße zu gehen.“ Gerade bei diesem Thema sei das Engagement seiner Generation wichtig. „Wir müssen viel länger mit den Entscheidungen leben, die heute getroffen werden“, sagt er. Da ist er auf einer Linie mit Franziska Kunze, Bruno Rössel und Felix Wiener. „Wir spüren die Konsequenzen“, so ist er der Tenor der vier. Also wollen sie auch mitbestimmen.

So laufen die Wahlen im Landkreis Bautzen

Gemeinde- und Stadtratswahl

Am 26. Mai werden im Landkreis Bautzen die Räte der Städte und Gemeinden für die Dauer von fünf Jahren gewählt. Wählen und gewählt werden dürfen alle Deutschen und EU-Bürger, die mindestens 18 Jahre alt sind und ihren Hauptwohnsitz seit mindestens drei Monaten in der jeweiligen Stadt oder Gemeinde haben. Jeder Wähler hat drei Stimmen, die auf einzelne Kandidaten verteilt oder einem einzigen Kandidaten gegeben werden können. Jede Partei erhält so viele Mandate, wie es ihrem prozentualen Anteil an Wählerstimmen entspricht. Die Anzahl der Sitze im jeweiligen Stadt- oder Gemeinderat richtet sich nach der Einwohnerzahl der Orte.

Ortschaftsratswahl

Einige Städte und Gemeinde haben neben den Stadt- und Gemeinderäten auch Ortschaftsräte. Vor allem nach Gemeindezusammenschlüssen werden diese Gremien häufig eingeführt. So gibt es in Bautzen neben dem Stadtrat vier Ortschaftsräte für die eingemeindeten Ortsteile Niederkaina, Stiebitz, Kleinwelka und Salzenforst/Bolbritz. Diese werden ebenfalls am 26. Mai gewählt.

Kreistagswahl

Ebenfalls am 26. Mai werden die Kreisräte gewählt. Dazu wurde der Landkreis Bautzen in 14 Wahlkreise eingeteilt.

Landtagswahl

Der sächsische Landtag wird am 1. September für fünf Jahre gewählt. Wahlberechtigt sind alle Deutschen, die mindestens 18 Jahre alt sind und ihren Hauptwohnsitz seit mindestens drei Monaten im Freistaat haben. Gewählt werden dürfen alle Wahlberechtigten, die ihren Hauptwohnsitz seit mindestens zwölf Monaten in Sachsen haben. Jeder Wähler hat eine Erst- und eine Zweitstimme. Die erste Stimme ist für den Kandidaten aus dem Wahlkreis, die zweite Stimme für die Landesliste der Partei. Die Sitze des Landtages werden nur an Parteien vergeben, die mindestens fünf Prozent der Listenstimmen erhalten oder mindestens zwei Wahlkreise gewinnen. 

Europawahl

Parallel zu den Kommunalwahlen wird am 26. Mai das EU-Parlament in Straßburg für fünf Jahre gewählt. In Deutschland sind alle deutschen Staatsbürger und hier wohnhaften EU-Bürger wahlberechtigt, die 18 Jahre alt sind und seit mindestens drei Monaten in der Bundesrepublik oder den anderen EU-Staaten leben. Nach der kommenden Wahl wird es 705 Sitze geben, aus Deutschland ziehen 96 Europaabgeordnete ins Europäische Parlament ein. Die Anzahl der Mandate ist abhängig von der Größe und den Einwohnerzahlen der einzelnen Staaten. Jeder Wähler hat eine Stimme.

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