Jung und engagiert

Bautzen. Als er in den Nachrichten die Bilder von toten Menschen im Mittelmeer sah, war das ein Schlüsselmoment für Bruno Rössel. Als er die Geschichte von einer völlig verarmten Familie in Griechenland hörte, die von einer einzigen, kleinen Rente lebte, war das ein zweiter. Weil diese Nachrichten in dem damaligen Teenager etwas bewegt haben, sitzt der heute 20-Jährige auf einem roten Stuhl im Büro der Linken in Bautzen und erzählt, was er alles bewirken möchte, falls er in den Kreistag gewählt wird.
Er malt aus, was er ändern würde, vor allem im Ausländeramt. Da bekommt er viel mit, durch sein Engagement für Geflüchtete. Er erzählt, wie er ein Jugendparlament einrichten möchte und sagt, dass es Zeit wird, dass abends endlich mehr Busse auf die Dörfer fahren müssen, sofern man möchte, dass junge Menschen den ländlichen Raum attraktiv finden.

Bruno Rössel ist so einer, auf den genau das passt, was immer häufiger zu hören ist: Die Jugend ist nicht so unpolitisch, wie es eine Zeit lang immer hieß. Sie ist nicht pauschal desinteressiert und ideenlos. Oder unengagiert. Und der Student, der bei der anstehenden Wahl als Kreisrat kandidiert, ist nicht der einzige politisch engagierte junge Mensch im Kreis. Vier neue Mitglieder bis 25 Jahre haben in den vergangenen zwölf Monaten ihren Weg in den Kreisverband der Linken gefunden.
Ähnlich sieht es in anderen Parteien aus. Neun neue Mitglieder unter 25 Jahren haben sich beispielsweise dem SPD-Kreisverband im vergangenen Jahr angeschlossen, der jüngste Kandidat der Partei bei der Kreistagswahl ist der 24 Jährige Andy Ziller. Auch dem CDU-Kreisverband sind junge Mitglieder beigetreten: Neun sind zwischen 16 und 30 Jahre alt. Und in den FDP-Kreisverband haben in den letzten drei Jahren zehn Mitglieder in diesem Alter ihren Weg gefunden.

Einer von ihnen, der 18-jährige Felix Wiener aus Radibor, tritt bei der Kreistagswahl an „Ich möchte Agrarwissenschaften studieren“, sagt der Abiturient des sorbischen Gymnasiums. Schon als Kind hatte er diesen Wunsch; im Teenager-Alter dann fiel ihm auf, dass da einiges anders läuft, als er sich das vorstellt. Oder zumindest Debatten eine andere Richtung einschlagen, als er für sinnvoll erachtet. Vor Kurzem machte er in den Ferien ein freiwilliges Praktikum als Erntehelfer und wurde in seinen Ansichten noch einmal bestärkt. Pestizide, sagt er, sind auf die Dauer vielleicht nicht gut – aber wenn man sie ganz verbietet, dann, so sieht er es, ist das auch nicht richtig.
„Es muss dann eine vernünftige Alternative geboten werden“, findet er. Wenn das nicht zuerst durchdacht wird, so sorgt er sich, „sieht es auf den Feldern aber ganz anders aus. Vor allem werden viele Pflanzen durch halbherziges Spritzen resistent“. Außerdem: „Ganz auf konventionelle Landwirtschaft verzichten können wir nicht.“ Trotzdem sorgt sich Felix Wiener um das Klima, findet, dass es eine Obergrenze für Kohlenstoffdioxidausstöße geben muss. Firmen sollten sich quasi freikaufen müssen, dann würde das schon ganz alleine funktionieren. „Die Wirtschaft kennt die Lösung“, ist er überzeugt. Unter anderem deshalb hat sich der Abiturient damals für die FDP entschieden. Aber auch, weil er das Gefühl hatte, dass er sich dort am freiesten äußern kann.
Junge Menschen werden belächelt
Auch Franziska Kunze hat vor allem der Gedanke an die Wirtschaft auf die Kandidatenliste für den Kreistag – und den Gemeinderat Königswartha – geführt. Die 24-Jährige kandidiert für die CDU und möchte einen Unternehmerstammtisch einführen. „Viele haben sich Anfang der 90er-Jahre selbstständig gemacht“, sagt sie, „und konnten nicht genug private Vorsorge betreiben“. Deshalb möchte sie Politiker und Unternehmen an einen Tisch holen und unter anderem darüber reden, die Sorge der Betroffenen abfangen. „Oft werden wir von jungen Menschen überhört“, sagt sie, „oder belächelt“. Dabei heißt jung sein doch nicht, keine guten Ideen zu haben.

Auch bei den Grünen gab es vier neue Mitglieder bis 25 Jahre, sechs junge Mitglieder aus der Partei treten bei den kommenden Wahlen an. Einer von ihnen ist der 19-jährige Jonas Löschau. Wenn der Bautzener redet, klingt er sehr erwachsen, sagt Dinge, wie „das Eintreten für eine demokratische Gesellschaft ist wichtig“ oder „ich möchte selbstreflektiert in das Amt gehen“. Aber als es um das Klima geht, bricht es auch aus ihm jugendlich heraus: „Das war meine erste Demo und ich war begeistert“, sagt er und spricht über Fridays for Future, gegen den Klimawandel.
„Ich habe endlich mal gespürt, was es bedeutet, für seine Meinung auf die Straße zu gehen.“ Gerade bei diesem Thema sei das Engagement seiner Generation wichtig. „Wir müssen viel länger mit den Entscheidungen leben, die heute getroffen werden“, sagt er. Da ist er auf einer Linie mit Franziska Kunze, Bruno Rössel und Felix Wiener. „Wir spüren die Konsequenzen“, so ist er der Tenor der vier. Also wollen sie auch mitbestimmen.