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Junge Störche klappern an Röder und Pulsnitz

Das gibt nach dem Katastrophenjahr 2013 wieder Hoffnung. Aber der Storch bleibt in Gefahr.

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Von Reiner Hanke

Die Kinderstube ist gut gefüllt: Vier junge Störche klappern derzeit im Großnaundorfer Horst. Gleich in der Nachbarschaft, in Mittelbach, ist es ebenfalls eng im Nest geworden. Und das sind keine Einzelfälle. In der Region zwischen Großnaundorf und Bretnig klappert es derzeit besonders kräftig. Gerade landet ein Altstorch auf dem Großnaundorfer Horst und räumt mit flottem Schnabelschwung das Nest auf. Anwohner Johannes Kaiser freut sich über den Nachwuchs. „Zwei Junge sind etwas größer“, berichtet er. „Wenn die Altstörche klappern, kommen sie im Nu und schießen übers Nest.“ Die Jungen müssen jetzt viel lernen. Zum Beispiel die Futtersuche. 2014 gibt wieder Hoffnung. Aber das Vorjahr war ein katastrophales Storchenjahr. Auch das Großnaundorfer Nest blieb ohne Junge. Wetterunbilden seien das eine, sagt Kaiser. Aber die Landwirtschaft sei eben auch nicht immer auf die Bedürfnisse von Störchen eingestellt. Dieses Jahr hätte es zeitlich mit dem Wetter, aber genauso mit der Ernte der Wintergerste und der Grasmahd gepasst, sodass die Störche gut versorgt waren, z. B. mit Mäusen.

Der Großröhrsdorfer Oberschullehrer und Fachmann von der AG Weißstorchschutz, Mathias Hüsni, hat den Überblick bei den Großvögeln. Auch in Kleinröhrsdorf wurden vier gesunde Junge gesichtet. Vier Junge pro Nest seien früher nicht ungewöhnlich gewesen. Inzwischen schon, schätzt er ein. Der Futtermangel sei Schuld: „Die Altvögel kennen dann keine Gnade.“ Wenn ein Jungtier zu klein und zu schwach sei, wenn es den Rückflug in den Süden nicht zu schaffen droht, dann fliege es aus dem Nest. Mathias Hüsni: „Nach schlimmen Jahren, haben wir wieder eine starke Jungenzahl.“ Sogar ein Schwarzstorch wurde von Anwohnern bei Großröhrsdorf auf einer Wiese gesichtet. Die Prognose der Storchenfreunde um Mathias Hüsni zeigt bis zu 15 Junge für dieses Jahr an. Das wäre zumindest ein Zehnjahres-Rekord. Seit 1990 zeichnen die Storchenfreunde der AG die Entwicklung im Raum Bischofswerda/Rödertal (ehemaliger Kreis Bischofswerda) auf. Da gehören die Jungen von Mittelbach und Großnaundorf noch gar nicht dazu. Die zählen bereits zum Kamenzer Raum. Selbst Horste, die länger als 10 Jahre leer waren, haben in diesem Jahr plötzlich wieder Mieter gefunden, zum Beispiel in Seeligstadt. Hier klappern vier Junge, eines in Großröhrsdorf, zwei in Bretnig an der Klinke, zum Beispiel. Die günstige Witterung habe dazu beigetragen. Die Störche seien eher zurückgekommen und in der Pflanzenproduktion habe die Ernte früher eingesetzt. Alles habe gut in ineinander gegriffen, sagt Hüsni. Damit ist die Storchenwelt aber längst noch nicht wieder in Ordnung und kein Grund zur Euphorie. Zuletzt war 2004 ein Storchenrekordjahr. 24 Junge wurden damals gezählt. Die Zahl ist seit 1990 ungeschlagen. Setze sich aber der Trend der vergangenen sieben Jahre fort, so Mathias Hüsni, dann bleiben kaum noch zehn Jahre, bevor der Storch angesichts geringer Nachwuchsraten aus dieser Region verschwunden ist. „Jegliche Beeinträchtigung der letzten Biotope verbietet sich da von selbst.“ Denn auch in diesem Jahr gibt es nicht nur gute Nachrichten aus dem Horst. In Kleindittmannsdorf und an vier weiteren Standorten brüteten zwar Störche, jedoch ohne dass Junge schlüpften. In Bühlau wurde ein Junges tot gesichtet.

Im Raum Kamenz hat Lutz Gliemann den Storch im Blick. Trotz des Storchensegens in Großnaundorf und Mittelbach fällt seine Zwischenbilanz verhaltener aus. Noch fehle ihm jedoch die komplette Übersicht. Zwischen 15 und 17 Paaren seien von einst 27 noch übrig. Es gebe sowohl Paare mit drei bis vier Jungen, aber auch Storcheneltern ohne Nachwuchs. Er spricht von einem durchschnittlichen Jahr. So sieht es auch Sylvia Siebert, nach dem Totalausfall von 2013. Sie rechnet mit zwei Jungen pro Paar, also gut 600 in Sachsen. Die Landschaftsbauingenieurin sammelt am „Naturschutzinstitut Region Dresden“ Storchendaten. Am schlimmsten ist laut Experten ist, dass sich die Nahrungssituation nicht verbessere. Es werde mehr kurzes Grünland gebraucht, sagt Sylvia Siebert. Außerdem sollten die Wiesen gestaffelt gemäht werden. Schlecht seien Raps und Mais für den Storch: „Diese Pflanzen versiegeln den Boden. Jungstörche finden nicht hinaus und sterben.“ Es verschwinden auch immer mehr Randstreifen an den Äckern und Feuchtbiotope: „Wo sollen denn die Amphibien herkommen“, fragt Sylvia Siebert. Dabei gebe es sogar EU-Fördermittel für solche Biotope. Die müssten besser genutzt werden.

Immerhin gibt dieses Jahr Hoffnung. Der Großnaundorfer Storch hat an dem Tag seine Aufräumaktion am Nest beendet. Er schwirrt ab. Und Mathias Hüsni ist sich sicher: „Es engagieren sich immer mehr Leute für den Storchenschutz.“ In Hauswalde sei eine Nisthilfe gebaut worden. In Ohorn ist ein ganzer Ortsteil dabei, den Storch ins Dorf zu holen. Mathias Hüsni will nicht dran glauben, dass der Vogel hier in zehn Jahren ausgeklappert hat.