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Uralter Baum droht auseinander zu brechen

Die Kästner-Eiche  in Girbisdorf hat im Stamm einen riesigen Riss. Kann der 350 Jahre alte Baum erhalten werden?

Von Constanze Junghanß
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Dieser Riss in der Mitte des Stammes ist der Grund für die neuerlichen Befürchtungen, dass die Kästner-Eiche nun doch noch gefällt werden muss.
Dieser Riss in der Mitte des Stammes ist der Grund für die neuerlichen Befürchtungen, dass die Kästner-Eiche nun doch noch gefällt werden muss. © Constanze Junghanß

Ein Drama bahnt sich für die Kästner-Eiche an: Das beeindruckende, fast 30 Meter hohe Naturdenkmal in Girbigsdorf, mit einem Umfang von immerhin mehr als sieben Metern, droht auseinander zu brechen. Der Spalt zieht sich mittig durch den gesamten Baum – so als hätte man eine riesige Axt angesetzt. Im Vorjahr war dieser Riss noch nicht so weit aufgebrochen. 

Roland Maiwald, stellvertretender Bürgermeister, ist sauer: „Die bisherigen Sicherungsmaßnahmen sind eine totale Fehleinschätzung“, sagt er. In seinen Augen schätzte der Staatsbetrieb Sachsenforst, Forstbezirk Oberlausitz, die Situation im Vorjahr nicht richtig ein. Sachsenforst wurde aktiv, weil die Kästner-Eiche Eigentum vom Freistaat ist und auf dessen Grund und Boden wächst. Roland Maiwald zeigt sich offen enttäuscht, wie er sagt. „Nach den Sicherungsmaßnahmen ist der Zustand des Baumes noch schlimmer, als zuvor“, stellt er fest.

Terrain weiträumig abgesperrt

Ist dass nun das Ende für das etwa 350 Jahre alte Wahrzeichen am Görlitzer Stadtrand? Die Befürchtung steht für den Schöpstaler Gemeinderat im Raum. Der Bauhof sperrte jetzt das umliegende Terrain und eine öffentliche Zufahrt zu einem vermietetem Mehrfamilienobjekt. Fünf Anwohnerfamilien müssen nun ein Stück zu Fuß gehen oder einen Umweg nutzen, um nicht auf dem Weg nahe der Eiche entlang zu fahren. Teile des mächtigen Baumes könnten auf den Boden krachen und im schlimmsten Fall Menschen verletzen. „Unser Wahrzeichen ist wieder in Gefahr“, machte Bürgermeister Bernd Kalkbrenner deutlich. Die Erhaltung der Kästner-Eiche erfordere dringend schnelles Handeln, so der Bürgermeister. In der Vergangenheit hatten sich Gemeinde, Heimatverein und Anwohner ebenso wie die Untere Naturschutzbehörde vom Landkreis für den Erhalt der Eiche stark gemacht. Fachleute wurden ins Boot geholt, ein Gutachten erstellt. Der Sachsenforst plädierte hingegen bereits 2017 für eine Fällung des Baumes wegen des starken Pilzbefalls, der Spannungsrisse und des Totholzes in der Krone.

Vize-Bürgermeister Roland Maiwald ist enttäuscht darüber, dass die Erhaltungsarbeiten an dem Baum nicht gefruchtet haben.
Vize-Bürgermeister Roland Maiwald ist enttäuscht darüber, dass die Erhaltungsarbeiten an dem Baum nicht gefruchtet haben. © Constanze Junghanß
Von dieser Idylle ist an der Kästner-Eiche nicht viel übrig geblieben. Muss der alte Baum nun doch gefällt werden?  SZ-Archivfoto: Pawel Sosnowski
Von dieser Idylle ist an der Kästner-Eiche nicht viel übrig geblieben. Muss der alte Baum nun doch gefällt werden?  SZ-Archivfoto: Pawel Sosnowski © undefined
Die Gemeinde Schöpstal musste das Terrain rund um den alten Baum bereits absperren, auch eine Zufahrt zu einem Gebäude ist im Moment nicht passierbar. Foto: Constanze Junghanss
Die Gemeinde Schöpstal musste das Terrain rund um den alten Baum bereits absperren, auch eine Zufahrt zu einem Gebäude ist im Moment nicht passierbar. Foto: Constanze Junghanss © undefined

Gegen eine Fällung wehrten sich die Schöpstaler mit Erfolg. Sicherungsmaßnahmen konnten eingeleitet werden. Doch ob die Bemühungen umsonst waren, wird die Zeit zeigen. Unter anderem wurden Spanngurte an der Eiche befestigt. Einer der vier Gurte ist mittlerweile aus der Verankerung gebrochen, der Haken baumelt lose am Holz. Die Sicherungsmaßnahmen hatte der Staatsbetrieb Sachsenforst durchführen lassen. Der Stamm droht nun, völlig auseinander zu platzen, hieß es im Gemeinderat. Die Gurte halten nicht. Auch mit weiteren bisher ausgeführten Arbeiten zeigten sich Ratsmitglieder nicht zufrieden. „Nur kleine Äste wurden rausgesägt, dabei hätten starke Äste weggemusst“, sagte etwa Heiko Hildebrand. Die Maßnahmen zur Erhaltung der Eiche hätten wenig Wirksamkeit gezeigt. Mittlerweile informierte die Gemeinde den Sachsenforst. Zwar sei der mit mehreren Mitarbeitern zu einer Ortsbesichtigung gewesen. Passiert ist allerdings bisher gar nichts. „Die Zeit drängt aber“, so der Bürgermeister. Die Gemeinde hofft auf eine Lösung, wie die Kästner-Eiche trotz des offenbar massiven Schadbildes irgendwie erhalten werden kann.

Sachsenforst kommt diese Woche

Der Zustand der Eiche verschlechterte sich in der Vergangenheit zusehends. 2012 wurde deshalb ein Weg, der direkt am Stamm vorbeiführte, umgelegt. Kostenpunkt: 10 000 Euro. Im Sommer 2016 brach der längste Ast ab, der über den Weg bis zur Wiese reichte. Dieser Ast verschaffte dem Baum-Urgroßvater zuvor mit 40 Metern eine der größten Kronenausdehnungen von Eichen deutschlandweit. 2017 dann drohte dem Naturdenkmal die Kettensäge. Der Baum sollte gefällt werden. Sachsenforst begründete das mit dem Stabilitätsverlust und der damit verbundenen akuten Gefährdung.

Die Naturschutzbehörde des Landkreises Görlitz setzte daraufhin einen vereidigten Sachverständigen ein – auch weil der Baum zu einem der monumentalsten Naturdenkmale im Land gehöre. Der kam zu dem Ergebnis, dass die Kästner-Eiche mit entsprechenden Pflegemaßnahmen erhalten werden kann. Julia Grothe, Öffentlichkeitsmitarbeiterin von Sachsenforst, konnte Ende vergangener Woche noch nicht sagen, wie es mit dem Baum weitergeht. Das Unternehmen will aber auf die Anfragen der SZ noch in dieser Woche „umfassend reagieren.“

Baumriesen um Görlitz

Am Waldrand unweit von Mengelsdorf steht die über 400 Jahre alte Wotans-eiche. Einige Äste des Baumriesen sind wie ein Nadelöhr gewachsen. Den Überlieferungen nach sollten Menschen, die durch dieses Nadelöhr gingen, von Krankheiten geheilt werden.

Nördlich von Löbensmüh findet sich ein weiterer besonderer Baumveteran: die Wundererle. Sie soll aus dem Zweig eines Baumes gewachsen sein, der in die Erde gesteckt worden war. Der Grund dafür war jedoch ein grausiger - eine Hinrichtung. Ein Leibeigener soll mit seinem Leben dafür bezahlt haben, dass er sich seiner Herrschaft gegenüber aufgelehnt hatte. Die botanische Besonderheit des Baums besteht in den doppelt sägeförmig bezackten Blatträndern.

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