Von Ulrich Wolf
Dresden/Essen. Der Kampf der Giganten läuft auch in Weinböhla. Der 10 000-Einwohner-Ort im Elbtal bei Dresden bietet am neuen Haltepunkt der Bahn Einkaufsflächen zum Verkauf an. Aldi und Lidl traten gegeneinander an.
Anfang des Monats entschied der Gemeinderat nach eigenen Angaben das „Kopf-an-Kop-Rennen“: zu Gunsten von Lidl. 550 000 Euro zahlt die schwäbische Handelskette für das Grundstück, am Jahresende soll die neue Filiale fertig sein. Der Chef der für die Dresdner Region zuständigen Aldi GmbH & Co. KG in Wilsdruff zu der Niederlage: „Deswegen geht es doch weiter. Wir streichen Weinböhla nur aus unserer Expansionsplanung.“
Erbitterter Streit in Niesky
Erbittert streiten die Discounter um die sächsische Kundschaft. Auch in Coswig bewerben sich Lidl und Aldi um Grundstücke.
In Niesky streiten sich die Rivalen um Flächen in der Brache des ehemaligen Kinos „Schauburg“. Eine Absage holte sich Aldi auch in Dippoldiswalde. Das neue Einkaufszentrum „Husarenhof“ in Bautzen hingegen bekommt Ende Februar seinen Aldi. In Mittelherwigsdorf bei Zittau wiederum zieht sich der Discounter zurück, „mangels Kaufkraft“. Gleichzeitig aber nimmt der Handelsriese ein neues Objekt in Zittau ins Visier. In Löbau und Bischofswerda zog er um, in Kamenz will er sich vergrößern. Und Großenhains Stadtplaner Stefan Militzer registriert: „Die Anfragen von Verbrauchermärkten nach Baugrundstücken häufen sich.“
Bei der schier gnadenlosen Jagd um Kunden in Sachsen lassen sich auch die anderen Billiganbieter nicht lumpen: Erst seit wenigen Wochen arbeiten neue Netto-Filialen in Tharandt und Bannewitz. Die Rewe-Tochter Penny will allein in diesem Jahr 60 neue Standorte in Deutschland erschließen; zu Jahresbeginn übernahmen die Kölner allein im Raum Leipzig 24 ehemalige Marktfrisch-Märkte.
Annelie Schneider von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) hält „Sachsen für den umkämpftesten Teilmarkt im Osten Deutschlands“. Das Vorgehen von Lidl, Penny, Kaufland, Netto und Aldi sei „sehr aggressiv“, und zu ihrem Leidwesen seien das „fast alles gewerkschaftsfreie Räume“.
Dass kaum irgendwo in Sachsen nach Tarif gezahlt wird – zumindest Aldi hat das nicht geholfen. Als einzige unter den zwölf ostdeutschen Aldi-Gesellschaften schrieben die drei sächsischen im Jahr 2003 rote Zahlen. Bei der Regionalgesellschaft in Hoyerswerda gingen sogar die Erlöse zurück, um gut 6,5 Prozent. Das geht aus den jüngst veröffentlichen Jahresabschlüssen hervor (siehe Tabelle). Danach macht Aldi in Sachsen mit 1 100 Mitarbeitern in 181 Filialen fast 500 Millionen Euro Umsatz, aber auch gut 2,7 Millionen Euro Minus.
Ein Minus von 2,7 Millionen
Eine Erklärung dafür war gestern von Aldi nicht zu erhalten. Eine extra von der Zentrale in Essen angeforderte Fax-Anfrage blieb unbeantwortet. Sie war auf ausdrücklichen Wunsch an Firmengründer Theo Albrecht senior gerichtet worden. Der 83-Jährige ist mit einem geschätzten Vermögen von 15 Milliarden Euro einer der reichsten Männer der Welt. Gemeinsam mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Karl hatte er 1946 den kleinen Lebensmittelladen seiner Mutter übernommen. Mit dem Prinzip „solide Qualität zu günstigen Preisen ohne Schnickschnack“ eroberten sie die Bergarbeiter-Kundschaft im Ruhrgebiet.
Aldi ist transparenter als Lidl
Schritt für Schritt bauten sie dann ein Discounter-Imperium auf, das sie in den sechziger Jahren aufteilten: Karl Albrecht übernahm die Aldi-Märkte südlich der Ruhr, Theo den nördlichen Teil. Jahrzehntelang hüllten sich die Albrechts zum geschäftlichen Erfolg in Schweigen, erst recht nach der Entführung von Theo Albrecht 1971. Seit drei Jahren jedoch werden wieder Zahlen veröffentlicht – für Verdi-Frau Schneider „ein klares Zeichen, dass sich Aldi um mehr Transparenz und Ehrlichkeit bemüht als Lidl“.
Hinter diesem Imperium steckt der schwäbische Kaufmann Dieter Schwarz. In seinem Reich aus Lidl- und Kaufland-Märkten „herrschen Sitten wie im 19. Jahrhundert und ein Klima der Angst“, behauptet Verdi im Ende vorigen Jahres publizierten „Schwarzbuch Lidl“. Der Konzern konterte mit dem Vorwurf der „Diffamierungskampagne“.
Ungewöhnliche Konstruktion
Recht ungewöhnlich wirkt zumindest die Konstruktion, mit der Schwarz seine Unternehmensgruppe steuert: mit Stiftungen. Das Regierungspräsidium Dresden gab am 10. Februar „die Entstehung der Stiftungen Alpha, Beta und SBG von Herrn Dieter Schwarz“ bekannt. Laut Verdi-Fachfrau Schneider „bleibt so der Gewinn aus den Märkten in den Stiftungen, die steuerlich besonders begünstigt sind.“ Zudem umgehe Schwarz damit die Veröffentlichungs-Pflicht.
Zumindest in einer Sache aber liegt Lidl vor Aldi: beim Bezahlen mit der EC-Karte. Das geht nach Unternehmensangaben in jeder Filiale. Aldi-Nord werde von April an „sukzessive nachziehen“, hieß es gestern bei der Aldi in Wilsdruff.