Ralf Minge müsste jubeln. Schließlich ist es einer dieser Meilensteine, von denen Dynamos Sportgeschäftsführer gerne spricht. Tatsächlich ist es infrastrukturell die wichtigste Entwicklung seit dem Stadionneubau, und der wurde vor mittlerweile gut zehn Jahren abgeschlossen. Das neue Trainingszentrum brauchte, wie so manches Bauprojekt in Dresden, etwas länger von der Idee bis zur Umsetzung.
Nachdem der Hochwasserschutz wiederholt geprüft und die Wechselkröte in ein Biotop umgeleitet wurde, sowie überraschende Altlasten entsorgt worden sind, geht es jedoch planmäßig voran im Ostragehege. Während der Sommerpause wird der Umzug aus dem Großen Garten erfolgen – und Minge räumt ein: „Wenn man sein halbes Leben dort erst als Spieler und dann als Zaungast zugebracht hat, ist das auch mit Wehmut verbunden.“ Schließlich endet ein jahrzehntelanges Provisorium.

Seit Herbst 1969 durften die Schwarz-Gelben im Großen Garten trainieren, in einem denkmalgeschützten Park. „Das wäre heute nicht mehr denkbar“, sagt Christian Striefler.
Doch als Geschäftsführer des Staatsbetriebes für die sächsischen Schlösser und Gärten hat er die Ausnahmegenehmigung immer wieder verlängert, zuletzt 2018 mit der Aussicht auf den Umzug im Juni 2020. Erst danach sollen die Überlegungen konkretisiert werden, auf der freiwerdenden Fläche – immerhin zweieinhalb Fußballplätze – eine zusätzliche Gleisschleife für die Parkeisenbahn anzulegen und einen Haltepunkt zu errichten.
Für einen Profi-Verein waren die Bedingungen längst nicht mehr zeitgemäß. So durfte keine Rasenheizung verlegt werden, wodurch selbst in diesem nahezu frostfreien Winter das Auftakttraining nach der Weihnachtspause um ein paar Stunden verschoben werden musste. Trainer bei Dynamo brauchten nicht nur einen Plan, sondern immer mindestens auch den Plan B. Ab der nächsten Spielzeit gibt es dreieinhalb Trainingsplätze, wovon ein Natur- und ein Kunstrasen beheizbar sein werden. Doch angesichts nach wie vor akuter Abstiegsgefahr stellt sich die Frage, ob sich der Verein das notfalls eben auch in der 3. Liga leisten könnte.
Die Antwort gibt der kaufmännische Geschäftsführer Michael Born ohne Umschweife und in einem Wort: „Absolut.“ Die Mietbelastung werde bei etwa 50.000 Euro pro Monat liegen, die Summe ergibt sich aus den Baukosten. Die sind von ursprünglich 15 Millionen nach neuesten Berechnungen laut Born auf 19,78 Millionen Euro gestiegen. Für den finanziellen Mehraufwand rechnet er mit weiteren Zuschüssen. Der Freistaat Sachsen fördert das Projekt mit 1,9 Millionen Euro, die Stadt Dresden mit vier Millionen.

Die restliche Summe übernimmt vorerst eine städtische Firma, über die Miete zahlt Dynamo diese sozusagen zurück. Theoretisch wäre das Objekt nach 25 Jahren abbezahlt, der Verein hat schon vorher jeweils zum Jahresende eine Kaufoption. Die sollte eigentlich so schnell wie möglich gezogen werden, doch es deutet sich eine generelle Kurskorrektur an. „Wir wollen weiterhin ein gesundes Polster haben und nachhaltig wirtschaften“, erklärt Born, „aber wir sind keine Bank, sondern müssen das Geld so einsetzen, um sportlich erfolgreich sein zu können.“
Zu der Miete kommen schließlich die Betriebskosten für das Trainingszentrum, die mit rund 1,2 Millionen Euro pro Jahr veranschlagt worden sind. Doch auch das ist derzeit nur eine Hochrechnung, die sich an Normgrößen orientiert. „Laut DIN 276 wird zum Beispiel bei plus vier Grad Celsius die Rasenheizung eingeschaltet. Das werden wir natürlich nicht tun“, sagt Born – und geht noch einen Schritt weiter: „Wenn wir in der 3. Liga nicht das Geld haben sollten, ganz hart gesprochen, bleibt die Rasenheizung eben komplett aus.“
Was dann allerdings die gewonnene Unabhängigkeit vom Wetter kosten würde. „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in diese Situation nicht kommen, zumal wir in der Lage wären, Eigenkapital einzusetzen.“

Zudem versucht Dynamo, die Ausgaben von vornherein zu drosseln. So wird auf einen Hausmeister und die ursprünglich für ihn geplante Wohnung verzichtet. „Wir denken, dass diese generelle Betreuung des Objektes nicht mehr zeitgemäß ist, vieles wird inzwischen über Apps gesteuert“, meint der 52 Jahre alte Finanzchef. Dienstleistungen sollen ausgeschrieben werden, um den Preis mitbestimmen zu können.
Beim Bau hat es sich bereits als sehr hilfreich erwiesen, dass beteiligte Firmen aus der Region sich über ihre Mitarbeiter oder sogar als Sponsor mit Dynamo identifizieren. Die Arbeiten liegen nicht nur im Zeitplan, sondern bleiben – nach Berücksichtigung von Preissteigerungen und zusätzlichem Aufwand für Umweltmaßnahmen – auch im finanziellen Rahmen. So sei der Rohbau für das Multifunktionsgebäude rund 70.000 Euro billiger geworden als im Angebot der Firma ausgewiesen.

Darüber hinaus sieht Born neue Einnahmequellen. Es gibt reichlich Flächen für Werbung. „Außerdem suchen wir einen Partner für das Namensrecht“, sagt der Geschäftsführer. „Ich bin sehr optimistisch, dass wir den Plan umsetzen.“ Welche Summe sich die SGD dafür vorstellt, verrät er nicht, meint aber: „Das sind Beträge, die sicher helfen.“ Mindestens eine Monatsmiete sollte wohl schon herausspringen.
Von Größenwahn will Minge auf das Projekt bezogen zwar nicht sprechen, aber: „Wenn man unsere wirtschaftliche Situation in der Phase der Planung betrachtet, musste man sehr optimistisch sein, um daran zu glauben, dass es so umsetzbar ist“, sagt der Sportchef. Er bekommt hier genauso ein Büro wie die Leiter des Nachwuchsleistungszentrums, denn die Teams von der U 16 bis zur U 19 ziehen mit um.
„Es ist schon Stolz, der mitschwingt“, sagt Minge, der nach seiner Rückkehr 2014 die Meilensteine für Dynamos Entwicklung identifiziert hat, von denen das Trainingszentrum ein wesentlicher ist. Er mag also beim Abschied aus dem Großen Garten ein wenig wehmütig sein. „Schließlich habe ich dort als Spieler elf Jahre meinen Schweiß versickern sehen.“ 1980 war er von der TSG Gröditz zu den Schwarz-Gelben gekommen, hat allein in der DDR-Oberliga in 222 Spielen 103 Tore erzielt, neun im Europapokal. „Nichtsdestotrotz: Mit dem neuen Trainingszentrum sind wir zukunftsfähig. Die Freude überwiegt natürlich“, betont Minge.