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Karten mitunter 170 Jahre alt

Dipl._Ing. Rainer Zeller (58), verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern ist seit Februar 1999 Leiter des Staatlichen Vermessungsamtes in Kamenz. SZ sprach mit ihm über Vergangenheit und Zukunft seines Amtes.

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Seit Februar 1999 gibt es das Staatliche Vermessungsamt in Kamenz mit ihnen als Behördenleiter. Wie kam es dazu?

Seit der Wende erhielten Grund und Boden eine wesentlich größere Bedeutung. Der Bedarf an Vermessungsleistungen stieg sprunghaft an. Das hatte zur Folge, dass das gesamte Vermessungswesen neu organisiert werden musste. Mit Hilfestellung von Baden-Württemberg entstanden neben dem Landesamt in Dresden 18 Vermessungsämter mit 30 Außenstellen, in jedem Landkreis eine Diensstelle. Das damalige Personal musste gewaltig aufgestockt werden. Zur Steigerung der Effizienz und zur Anpassung an die Kreisreform gab es Mitte der 90er Jahre bereits Bestrebungen die Vermessungsverwaltung zu reformieren. Politisches Ziel war es die gesamte operative Vermessung in Zuständigkeit Öffentlich bestellter Vermessungsingenieure (ÖbV) abzugeben. Die Zuständigkeit des Vermessungsamtes sollte sich nur noch auf die reine Katasterführung beschränken. Im Ergebnis blieben in Sachsen zwölf Vermessungsämter, teils noch mit Außenstellen, übrig. Inzwischen sind die Außenstellen alle aufgelöst. Die Folge ist, dass wir jetzt den Personalbestand reduzieren müssen.

Was bedeutet das? Müssen Mitarbeiter entlassen werden?

Im Arbeiterbereich ging es nicht ohne Entlassungen ab, in unserem Amt war davon ein Mitarbeiter betroffen. Bei den Angestellten kompensierten wir Personalüberhang dadurch, dass ein Bezirkstarifvertrag abgeschlossen werden konnte. Danach arbeiten Angestellte im mittleren Dienst verkürzt. Ab dem 1. Januar sind das 34 Stunden in der Woche. Die Arbeitszeit erhöht sich künftig ständig durch altersbedingtes Ausscheiden und wird alle halben Jahre neu berechnet. Es wird prognostiziert, dass unsere Mitarbeiter in etwa acht Jahren wieder voll arbeiten können.

Wie viele Mitarbeiter hat Ihre Behörde zurzeit?

Mit den Auszubildenden sind es 60. Wir haben sechs Azubis, zwei Laufbahnanwärter des mittleren Dienstes. Allerdings wissen alle, dass wir sie nach der Lehre nicht übernehmen können. Das ist eigentlich traurig. Aber gerade wir, als staatliche Behörde, dürfen uns natürlich aus Ausbildung nicht heraushalten.

Sie sagten die Ämter wurden Anfang 1999 neu strukturiert. Wie sah das in Kamenz aus?

Unser jetziges Amt setzt sich aus den ehemaligen Vermessungsämtern Hoyerswerda und Kamenz sowie der Hälfte des Dresdner Amtes zusammen. Wir sind relativ kurz zusammen, da wir als letztes Amt in Sachsen zusammengeführt wurden. Im April vorigen Jahres bezogen wir gemeinsam mit der Statistik das Gebäude am Garnisonsplatz 13.

Welche Aufgaben erfüllt das Staatliche Vermessungsamt?

Wir verwalten den gesamten Flurstücksbestand des heutigen Landkreises Kamenz und der kreisfreien Stadt Hoyerswerda. Dabei haben wir eine Fläche von 1 435 Quadratkilometern und 178 445 Flurstücke zu betreuen. Die Zahl der Flurstücke ändert sich jedoch ständig. All das wird bei uns sowohl grafisch als auch zahlen- und buchmäßig erfasst. Die Grafik ist in einem alten Kartenbestand von 1 592 Katasterkarten dargestellt. Diese Karten liegen derzeit teils als Rahmen-, überwiegend jedoch als so genannte Inselkarten in unterschiedlichsten Maßstäben und Qualitäten vor. Deshalb arbeiten wir ganz intensiv an der automatisierten Liegenschaftskarte. Ziel ist es, sachsenweit bis 2005 alle Karten digital zu erfassen, um sie Nutzern künftig blattschnittfrei und digital anbieten zu können. Aus diesem Kartenbestand vetreiben wir Flurkartenauszüge sowohl für Einzelflurstücke als auch für den Flurstücksbestand ganzer Gemarkungen oder Gemeinden. Außerdem führen wir den buchmäßigen Nachweis der Grundstücke. Den öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren stellen wir für Katastervermessungen die vermessungstechnischen Unterlagen zur Verfügung und übernehmen die Vermessungsergebnisse.

Was heißt eigentlich blattschnittfrei?

Das heißt, im digitalen Bestand gibt es keine einzelnen Karten mehr, sondern der Gesamtbestand ist lückenlos gespeichert und kann ausschnittsweise je nach gewünschter Abgrenzung problemlos abgegeben werden. Das geht zurzeit noch nicht. Gerade an den „Rändern“ gibt es jetzt meist noch Widersprüche und Unstimmigkeiten. Die Karten passen einfach nicht zusammen. Kein Wunder, sie sind bis 170 Jahre alt, die ältesten stammen aus den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts.

Und was versteht man unter dem buchmäßigen Grundstücksnachweis?

Dafür gibt’s das automatisierte Liegenschaftsbuch. Darin findet man die Beschreibung des Flurstücks, das heißt Flurstücksnummer, Lage, Flächengröße, Nutzungsart und Name der Eigentümer.

Kämpfen Sie auch noch mit anderen Problemen?

Ja. Ziel unseres Ministeriums ist es, dass die Übernahmezeit innerhalb von drei Monaten nach Einreichen der Vermessungsschriften durch den ÖbV erfolgen sollte. Das schaffen wir momentan noch nicht. Wir liegen jetzt bei knapp sechs Monaten. Ein weiteres Problem ist momentan die mangelnde Aktualität bei der Darstellung der Bebauung in den Karten. Viele Bauten sind nicht eingezeichnet. Im Ministerium überlegt man jetzt, ob dieser Mangel durch Befliegen oder Einzelaufmessungen korrigiert werden sollte. Mit einer Befliegung geht es schnell, aber da ist die Genauigkeit nicht so exakt. Einzelaufmessungen sind meist zeitaufwendiger.

Wie kommt es, dass nicht alle Bauten erfasst sind?

Das kann meist viele Gründe haben. Ein sehr häufiger ist, das Grundstückseigentümer oft nicht wissen, dass sie laut Vermessungsgesetz bei Neubauten – z.B. auch Garagen – die Aufnahme in das Liegenschaftskataster unverzüglich nach Fertigstellung beantragen müssen. Das ist natürlich gebührenpflichtig. Mit Zustimmung des Eigentümers konnten wir von Amts wegen Gebäudeeinmessungen durchführen. Der Eigentümer erhielt mit dem Gebührenbescheid einen neuen Flurkartenauszug.

Heißt das, da ihre Mitarbeiter nicht mehr selbst vermessen, können sich Grundstücksbesitzer jetzt davor drücken?

Natürlich nicht, das Gesetz wurde ja nicht aufgehoben. Ein ÖbV wird derzeit nur nach Auftrag tätig. Doch ein neues Vermessungsgesetz ist in parlamentarischer Anhörung. Wir gehen davon aus, dass es noch dieses Jahr in Kraft treten wird. Danach sollen ÖbV fast die gleiche Rechtsstellung bekommen wie wir als Amt. In dem Gesetz soll auch bereits erwähnte Beantragungsfrist für Vermessung von Neubauten mit zwei Monaten nach Fertigstellung konkretisiert werden.

Gespräch: Manuela Reuß