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Schokoladenwerk Kathleen macht zu

Die Mitarbeiter hatten es am Donnerstag erfahren. Die Produktion in Oderwitz wird aber nicht sofort eingestellt. 167 Beschäftigte sind betroffen.

Von Holger Gutte
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Das Kathleen Schokoladenwerk in Oderwitz soll geschlossen werden.
Das Kathleen Schokoladenwerk in Oderwitz soll geschlossen werden. © Matthias Weber/photoweber.de

Keiner der Frühschicht-Mitarbeiter der Kathleen Schokoladenfabrik in Oderwitz wollte am Freitagnachmittag öffentlich reden. Sie müssen es selber erst einmal verdauen, dass ihr Werk geschlossen wird. Und dann gibt es noch die "Anweisung von ganz oben", die quasi einem Maulkorb gleichkommt.  Am Werktor wiegelt auch gleich eine Verwaltungsmitarbeiterin, die gerade den Briefkasten am Firmeneingang entleert, ab, dass auch der Betriebsleiter nicht zu sprechen sei. Sie will ihn auch gar nicht erst fragen, ob er dazu bereit wäre. 

Einer bricht das verordnete Schweigen

Ein Mitarbeiter bricht dann aber doch das Schweigen. Ohne dass sein Name genannt werden darf, damit er keinen Ärger bekommt. "Wir haben es auch erst gestern erfahren. Die Frühschicht ist benachrichtigt worden, dass sich alle um 10 Uhr im Speiseraum der Kantine einfinden sollen", schildert er. 

"Viele von uns hatten es schon geahnt", erzählt er. Wirklich überrascht war man deshalb nicht. Aber wenn es dann doch verkündet wird, sei es schon ein komisches Gefühl. 40 Jahre ist er - nennen wir ihn Alex - im Oderwitzer Schokoladenbetrieb. Er hat nie woanders gearbeitet. "Alex" hat hier als Lehrling angefangen.  

Das Angebot der Unternehmensleitung in eines der anderen Standorte ein Deutschland zu wechseln, kommt für ihn nicht in Frage. "Das nächste Werk liegt in Wernigerode." Alex weiß nicht, was er nach der Werksschließung machen soll. Bis zur Rente hat er noch ein paar Jahre.  

Viele seiner Kollegen hatten schon bei der Betriebsübernahme vor reichlich einem Jahr von Rübezahl geahnt, dass das so kommen würde, meint er. "Wir sind ja nicht naiv und haben gesehen, dass die Produktion weniger wurde. Und Corona hat uns jetzt wahrscheinlich den Rest gegeben", sagt er.

Konkurrent hatte das Werk 2019 übernommen

Im April 2019 ist die Kathleen Schokoladenfabrik in Oderwitz Teil eines großen Schokoladenherstellers geworden. Die Confiserie Riegelein, zu der Kathleen gehörte, hatte sich mit dem bisherigen Wettbewerber Gubor/Rübezahl mit dem Hauptsitz im schwäbischen Dettingen zusammengeschlossen.

Das Kathleen Schokoladenwerk in Oderwitz schließt zum 30. April 2022 seine Produktion, teilte das Unternehmen am Freitagnachmittag in einer Pressemitteilung mit. Bis dahin bleibt der Geschäftsbetrieb in vollem Umfang erhalten, berichtet  der Unternehmenssprecher der Rübezahl-/Riegelein-Gruppe, Dieter Schäfer. 

Von der Betriebsschließung sind 167 Belegschaftsmitglieder am Standort Oderwitz betroffen. „Die Entscheidung, unser Schokoladenwerk in Oderwitz zu schließen, ist uns nicht leicht gefallen, aber leider unumgänglich. Die künftige Perspektive des Standortes lässt uns leider keine andere Wahl, da die Produktionsmengen bei klassischen Schokoladen-Saisonartikeln in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen sind und die Auslastung des Werkes für einen kostendeckenden Betrieb nicht mehr ausreicht", schildert er. 

Darüber hinaus hat die Corona-Krise der letzten Monate die Lage zusätzlich massiv beeinflusst. Das Unternehmen erwartet durch die geringere Kaufkraft weitere Rückgänge der Produktionsmengen, insbesondere beim Export in wirtschaftlich stark unter Druck stehende Länder. 

Unternehmen sieht keine andere Alternative

"Leider gibt es aktuell keine kaufmännisch auch nur im Ansatz vernünftige Alternative zur Werksschließung. Wir bedauern den leider notwendig gewordenen Schritt zutiefst", so der Pressesprecher. Die neu formierte Rübezahl-Riegelein Unternehmensgruppe will den Mitarbeitern vom Schokoladenwerk Kathleen eine Perspektive in einem ihrer anderen fünf Werke in Form von Fest- oder Saisonverträgen oder als Alternative eine finanzielle Unterstützung beim Ausscheiden zur Schließung des Betriebs in zwei Jahren anbieten.

 Gemeinsam mit dem Betriebsrat soll in Kürze ein Sozialplan erarbeitet werden, heißt es. Von der Betriebsschließung in Oderwitz ist ein Jahr vorher auch die von Kathleen aus gesteuerte Produktionsstätte im tschechischen Jablonec  betroffen gewesen.

SZ-Recherche ergibt Fehlbetrag von 6,9 Millionen Euro

Der im März 2020 veröffentlichte Konzernabschluss von Riegelein weist für das Geschäftsjahr 2018/19 vom 1. Mai 2018 bis zum 30. April 2019 einen Verlust von 2,4 Millionen Euro aus. "Die Auswirkungen der Corona-Pandemie ab März 2020 sind derzeit noch nicht abschätzbar. Wir gehen jedoch davon aus, dass es leicht negative Gesamtleistungs- und Ergebniseffekte hierdurch geben wird, die nicht in den aktuellen Planzahlen der Riegelein-Gruppe berücksichtigt sind", heißt es weiter. Eine seriöse Schätzung der Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage könne aufgrund vorliegender erheblicher Planungsunsicherheiten nicht vorgenommen werden. 

Nach SZ-Recherchen hat die negative Ergebnisentwicklung dazu geführt, dass sich der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag auf 6,9 Millionen Euro - von 4,4 Millionen Euro im Vorjahr - erhöht hat.

Eine erste Reaktion

"Die Nachricht hat uns alle überrascht", sagt Cornelius Stempel (parteilos). Der Oderwitzer Bürgermeister bittet um Verständnis, dass er jetzt erst einmal mit der Geschäftsleitung über die Schließungspläne sprechen will. 

Kathleen ist nun binnen kürzester Zeit der zweite große Betrieb den Oderwitz verliert. Die Arno Hentschel GmbH aus Oderwitz baut sich gerade in Zittau einen neuen Firmenstandort auf. Die Gründe dafür sind unter anderem fehlende Entwicklungsmöglichkeiten in der Gemeinde und Probleme bei der Logistik, heißt es von der Geschäftsführung. Die Firma zählt eigenen Angaben nach "zu den weltweit bedeutenden Herstellern von Gitterrostbefestigungen", stellt aber auch andere Produkte wie Werkzeuge her. (mit mva)

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